1914 – Der Weihnachtsfrieden im Ersten Weltkrieg

Datum: 9. Dezember 2021

Autor: Bernhard Gusenbauer

Lesezeit: ca. 5 Minuten

Ende des Jahres 1914 hatten die sogenannten Grabenkriege im Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreicht. An der Front im Westen standen sich die Deutschen auf der einen Seite, die Belgier, Franzosen und Briten auf der anderen Seite gegenĂŒber. Aufgrund schwerer KĂ€mpfe hatten beide Kriegsgegner mit erheblichen Verlusten zu kĂ€mpfen, aus diesem Grund wurden schnell GrĂ€ben ausgehoben, um KrĂ€fte zu sammeln und einen wirksamen Schutz gegen den Gegner zu haben. Die Kampfzonen waren bald in einen Stellungskrieg erstarrt und die Soldaten beider Seiten vergruben sich immer mehr in ihren kilometerlangen SchĂŒtzengrĂ€ben. Was die Soldaten inmitten dem stĂ€ndigen Kugel- und Granatenhagel in diesen GrĂ€ben aushalten mussten, war eine schonungslose Qual.

Foto von inconnu
unter CC BY-SA 3.0

Die MĂ€nner litten unter Platzmangel und dem immer allgegenwĂ€rtigen Ungeziefer wie Ratten oder LĂ€usen. Dazu kamen der Dreck und der Schlamm in den Erdlöchern, die stĂ€ndige Feuchtigkeit verursachte ein großes Leid. Im Sommer herrschte unertrĂ€gliche Hitze in den GrĂ€ben, im Winter hingegen eisige KĂ€lte. Die psychische Belastung fĂŒr jeden Soldaten beider Seiten war enorm, denn nur eine kleine Unaufmerksamkeit, und die feindlichen ScharfschĂŒtzen waren zur Stelle und erledigten ihren Auftrag. Getötete MĂ€nner konnten oft nicht weggebracht werden und verfaulten in unmittelbarer NĂ€he der GrĂ€ben, was einen fĂŒrchterlichen Gestank zur Folge hatte. So vegetierten die Soldaten in diesen SchĂŒtzengrĂ€ben dahin und die Stimmung beider Seiten war bald am absoluten Tiefpunkt angelangt, denn die Weihnachtszeit brach an. Die MĂ€nner, die in den kalten GrĂ€ben feststeckten, dachten an ihre Frauen und Kinder und daran, dass sie nicht mit ihnen in einem warmen Zuhause ein ruhiges Weihnachtsfest feiern konnten.

Am 24. Dezember 1914 bekamen viele Soldaten Weihnachtsgeschenke aus ihrer Heimat und die Sehnsucht nach etwas Ruhe wurde immer grĂ¶ĂŸer. Zwischen den Kriegsgegnern wurde vereinbart, dass man die Gefallenen bergen konnte und nicht geschossen werden sollte. Nachdem die Toten weggebracht wurden, begannen die ersten verfeindeten Soldaten miteinander zu sprechen. Sie begannen sich gegenseitig schöne Weihnachten zu wĂŒnschen und kein Soldat hatte im Moment das BedĂŒrfnis, wieder zur Waffe zu greifen. Die deutschen Soldaten stellten kleine TannenbĂ€ume, die sie aus ihrer Heimat erhalten hatten, auf die GrĂ€ben und zĂŒndeten Kerzen an. Auf beiden Seiten fingen plötzlich Soldaten an, Weihnachtslieder zu singen und immer mehr Soldaten verließen ihre Stellungen. Was sich bald im Niemandsland (zwischen den GrĂ€ben liegendes GelĂ€nde) abspielen sollte, war unfassbar.Foto

Die Soldaten, die wenige Stunden zuvor noch um Leben und Tod gekĂ€mpft hatten, tauschten nun Zigaretten und Essen untereinander aus. Sie machten sich Geschenke, sangen Weihnachtslieder zusammen und zeigten sich Fotos von ihren Familien. Es folgte gegenseitiges Haareschneiden und es wurde gemeinsam mit Bier angestoßen. Inmitten von Minenfeldern und StacheldrahtzĂ€unen wurden Fußballspiele ausgetragen und es kam zu regelrechten VerbrĂŒderungen. Im Mittelpunkt stand nun nicht mehr der Soldat, sondern der Mensch. Trotz des schrecklichen Krieges waren die Soldaten auch nur Menschen mit den gleichen BedĂŒrfnissen. Die meisten Vorgesetzten beider Seiten akzeptieren diesen nicht geplanten Waffenstillstand, aber nur fĂŒr eine kurze Zeit. Unter Androhung von strengen Disziplinarmaßnahmen mussten sich die Soldaten bald wieder in ihren unbehaglichen GrĂ€ben verschanzen und wieder zu ihrer Waffe greifen. Anschließend folgten ein paar SchĂŒsse in die Luft, danach war wieder Krieg.

Dieses WeihnachtsmÀrchen vom Weihnachtsfrieden, mitten im Ersten Weltkrieg, sollte einmalig in der Weltgeschichte bleiben. Im nÀchsten Jahr wurde dieser Weihnachtsfrieden unter Androhung von Kriegsgerichtsverfahren von den Befehlshabern nicht mehr geduldet.

Bis heute hat dieser Waffenstillstand eine bemerkenswerte Aussagekraft, denn wenn die Menschen es wirklich wollen, hat jede Feindseligkeit einmal ein Ende.

Der Erste Weltkrieg, der bis zum Jahr 1918 dauerte, forderte rund 17 Millionen Menschenleben. Aber in Erinnerung blieb dabei ein vorĂŒbergehender Weihnachtsfrieden, in dem die erbittertsten Feinde zusammen feierten und fĂŒr kurze Zeit sogar zu Freunden wurden.

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