Professor Ganteför über den „Kollaps der Kohärenz“

Beim Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts droht das Scheitern des Staates. Er wird zum „failed State“. Die Bevölkerung zerfällt in verfeindete Gruppen. Der Prozess beginnt mit dem Verfall der Gemeinschaftseinrichtungen wie der Schulen und der Infrastruktur. Im nächsten Schritt werden Teile der eigenen Bevölkerung ausgegrenzt. Im Endstadium kann die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden, die Kriminalitätsrate explodiert und auch die Stromversorgung bricht zusammen. Unterstützen Sie den zeit- und kostenintensiven YouTube-Kanal von Prof. Ganteför durch Ihre Paypal-Spende an gerd@gantefoer.ch.

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Vorwort: Zusammenfassung der Zuschauerreaktionen auf Professor Ganteförs Vortrag

Professor Ganteförs Vortrag über den Zustand Deutschlands hat eine Welle der Dankbarkeit, Zustimmung und Bewunderung ausgelöst. Viele Kommentierende loben ihn für seine Klarheit, seinen Mut und seine Fähigkeit, komplexe gesellschaftliche Entwicklungen präzise und nüchtern auf den Punkt zu bringen. Es ist spürbar, dass er damit einen Nerv trifft – viele Menschen fühlen sich gehört und vertreten.

Ein oft genannter Aspekt ist die gesellschaftliche Fragmentierung in Deutschland: Der Zerfall gemeinsamer Werte, Kommunikationsdefizite und ein Mangel an Verantwortung und Selbstreflexion ziehen sich als wiederkehrendes Thema durch die Kommentare. Im Vergleich dazu wird Dänemark etwa als positives Gegenbeispiel genannt – mit mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt und einem konstruktiveren politischen Diskurs.

Einige Zuschauer berichten aus persönlichen Erfahrungen – etwa aus der Bundeswehr, dem Ehrenamt oder dem Eisenbahnwesen – und schildern konkrete Symptome von Verfall und Bürokratisierung, oft verbunden mit Sprachbarrieren und dem Rückzug engagierter Menschen aus gesellschaftlichen Aufgaben.

Was besonders hervorsticht, ist die tiefe Sehnsucht nach Klartext, Orientierung und intellektueller Aufrichtigkeit. Viele danken Professor Ganteför für seinen Einsatz, seine Präsenz auf YouTube – auch am Wochenende – und sehen in ihm eine Stimme der Vernunft und Hoffnung.


Professor Ganteför: Über das Konzept des „gescheiterten Staates“ – im Englischen als „failed state“ bezeichnet. Damit ist ein Staat gemeint, der seine grundlegenden Funktionen wie Regierungsbildung, Sicherheit im öffentlichen Raum, Kriminalitätsbekämpfung oder den Erhalt gesellschaftlicher Strukturen nicht mehr gewährleisten kann.

Hallo liebe Leute! Ich begrüße euch zu einer neuen Folge meiner Miniserie „Das Gesetz der Herde“. In dieser Serie geht es um das Verhalten großer Gruppen – nicht nur bei Tieren, sondern vor allem bei Menschen – und wie sich Gesellschaften verändern. Heute spreche ich über den Niedergang der westlichen Gesellschaften, besonders im deutschsprachigen Raum. Der Titel dieser Folge lautet: Kollaps der Kohärenz – und er ist als Warnung gemeint.

Mit „Kohärenz“ meine ich den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich stütze mich dabei auf zwei Artikel von D. Marhansch, einem Freund und Psychotherapeuten, der ursprünglich als Arzt arbeitete und später in Burnout-Kliniken tätig war. Heute ist er Publizist und befasst sich mit dem Zustand der Gesellschaft. Seine Gedanken stammen aus zwei Artikeln: einer erschien im Oktober 2024 in der „Neuen Zürcher Zeitung“, der andere im März 2025 bei „Tichys Einblick“.

Er fordert eine neue, gemeinsame geistige Basis – nicht im religiösen, sondern im kulturell-ethischen Sinn. Die Spaltung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften solle überwunden werden, um wieder ein ganzheitliches Welt- und Menschenbild zu entwickeln. Denn ohne Kohärenz – ohne ein zusammenhängendes Wertesystem – fragmentiert die Gesellschaft in immer kleinere Gruppen. Das nennt man Tribalisierung – die Rückkehr zu „Stammeslogiken“.

Ich vergleiche das mit physikalischer Kohärenz: Kohärentes Licht hat eine saubere, durchgängige Schwingung. Inkoherentes Licht hingegen besteht aus bruchstückhaften Wellenzügen, voller Sprünge. Genauso kann Denken kohärent oder inkohärent sein. In der Psychologie spricht man bei fehlender Kohärenz sogar von Denkstörungen.

Solche Widersprüche treten heute oft auf: Menschen vertreten gleichzeitig sich widersprechende Positionen – etwa wenn Antirassisten pauschal „den alten weißen Mann“ für alles verantwortlich machen. Das ist selbst rassistisch. Auch Marhansch weist darauf hin, wie im Namen der Antidiskriminierung neue Diskriminierungen entstehen.

In der Soziologie beschreibt Kohärenz eine Gesellschaft, die ein gemeinsames Weltbild, Werte, Normen, Rituale, Feste und Sprache teilt. Früher geschah das über Religion und Nationalbewusstsein. Solche kulturellen Marker – wie gemeinsame Feiertage, Rituale, Kleidung, Speisen – gaben Menschen Identität und das Gefühl, „zu Hause“ zu sein.

Heute sehen wir jedoch das Gegenteil: fragmentierte Öffentlichkeiten, Vertrauensverlust in Institutionen, sinkende Fairness-Erwartungen, und in manchen Ländern zunehmende Korruption oder Kriminalität. Die Gesellschaft wird weniger kohärent – und dadurch verletzlicher.

Die Europäer wirken mittlerweile stellenweise eher grummelig. Zwar nehmen viele weiterhin Rücksicht aufeinander und helfen einander, besonders in akuten Krisensituationen – wie etwa in der Schweiz, wenn ein Dorf verschüttet wird, oder beim Hochwasser im Ahrtal in Deutschland. In solchen Fällen zeigen sich nach wie vor Reste gesellschaftlicher Kohärenz. Doch in vielen anderen Bereichen bröckelt sie deutlich.

Früher hatten die Bürger Vertrauen in ihre politischen Verantwortlichen – heute ist dieses Vertrauen oft erschüttert, besonders gegenüber Institutionen in Berlin und Brüssel. Öffentliche Einrichtungen wirken zunehmend ungepflegt, wie etwa bei einem Besuch in Berlin deutlich wurde.

In seinem Buch „The Causes of War and the Spread of Peace“ beschreibt Azar Gat, dass auch frühgeschichtliche Stämme – also Familienverbände in der Jäger-und-Sammler-Zeit – durch Religion und gemeinsame Rituale zusammengehalten wurden. Die Zugehörigkeit zum Stamm bedeutete nicht nur Schutz, sondern war überlebensnotwendig. Im Ernstfall musste sich jeder dem Feind entgegenstellen. Eigenmächtiges Fliehen hätte die gesamte Gruppe gefährdet – ein Verhalten, das später als Fahnenflucht bekannt wurde. Diese Form des Zusammenhalts sieht man übrigens auch bei Primaten wie Schimpansen und Pavianen, die gemeinsam Raubtiere vertreiben.

Dieser Zusammenhalt, diese Kohärenz, war also ursprünglich ein Überlebensfaktor – und ist es, so die zentrale Warnung des Autors, bis heute geblieben. Wenn sie verloren geht, gerät eine Kultur ins Wanken. Gerade Deutschland sieht der Sprecher als Vorreiter dieser Auflösung – in Österreich und besonders in der Schweiz sei die gesellschaftliche Kohärenz noch stärker spürbar, zum Beispiel durch basisdemokratische Strukturen oder die Achtung nationaler Symbole.

Nationalstolz und Religion wurden vielerorts durch ein bürokratisches Europa ersetzt – doch kann ein abstraktes Konstrukt wie die EU wirklich ein Wir-Gefühl schaffen? Viele identitätsstiftende Elemente wie gemeinsame Sprache, Werte, Traditionen oder Feiertage seien verschwunden oder bedeutungslos geworden. Die Folge sei ein „Nichtland“ ohne verbindende Kultur, vergleichbar mit dem „Freiparken“-Feld im Spiel Monopoly: ein Ort, an dem man einfach nur existiert, versorgt wird – aber ohne Identität und Zugehörigkeit.

Beispiel: Es ist also kaum verwunderlich, dass die Schweizer mit ihrer Klage durchgekommen sind. Erstaunlich ist jedoch die Logik des Menschenrechtsgerichtshofs, denn betrachtet man die CO₂-Emissionen pro Kopf, steht die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut da – deutlich besser als viele EU-Länder. Der Strom, der beispielsweise in meinem Studio in Thurgau meine Scheinwerfer betreibt, ist CO₂-frei. Zum Vergleich: Der Schweizer Durchschnitt liegt laut aktuellen Zahlen bei 3,6 Tonnen CO₂ pro Person, während der EU-Durchschnitt bei 7,5 Tonnen liegt – also mehr als doppelt so hoch.

Trotzdem wird der Schweiz Versagen vorgeworfen. Solche Entscheidungen tragen zum Verlust gesellschaftlicher Kohärenz bei. Menschen lehnen sich – aus ihrer Sicht zu Recht – zunehmend von ihrer eigenen Gemeinschaft ab. Es entsteht ein Gefühl von Selbstentfremdung.

Der Psychotherapeut Dietmar Hansch spricht in einem seiner Artikel vom Verlust der „sozialen DNA“. Die westlichen Gesellschaften hätten nicht nur das Gemeinschaftsgefühl verloren, sondern träten es mittlerweile sogar mit Füßen. Stattdessen werde die Not zur Tugend erklärt – Stichwort: „Vielfalt macht uns stark“. Das klingt zunächst gut, aber wohin diese Entwicklung tatsächlich führt, bleibt offen.

Was passiert, wenn das Wir-Gefühl zerfällt? Wenn sich niemand mehr mit der Gemeinschaft identifiziert? In archaischen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften hätte ein solcher Zustand schlicht das Ende bedeutet – denn nur durch Zusammenarbeit konnte ein Stamm überleben.

Heute führt dieser Zerfall zu einer sogenannten Tribalisierung: Die Gesellschaft zerfällt in kleine, oft miteinander konkurrierende oder gar verfeindete Gruppen. Beispiele aus Belgien und Schweden zeigen, wohin das führen kann – zunehmende Clan-Kriminalität, Gewalteskalationen, Parallelgesellschaften. Selbst in der Schweiz warnen Sicherheitsbehörden inzwischen vor mafiösen Strukturen.

Der Referent betont dabei: Es geht nicht darum, gegen Migration zu sprechen, sondern um die tragende Kohärenz innerhalb der bestehenden Gesellschaft. Migration kann bereichern, aber nur, wenn das gesellschaftliche Fundament stabil bleibt.