
Wollte nur mal eben kurz reinhören … und bin dann hĂ€ngen geblieben.
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© Transkript / Zusammenfassung / Rosi/esistallesda.de
Ich bin ja kein groĂer Freund von Sommerinterviews â ich weiĂ nicht, wann das angefangen hat, dass hochrangige Politiker sich zu diesem Populismus hinreiĂen lassen. Ich zumindest kann mich nicht erinnern an das groĂe Sommerinterview mit Kaiser Wilhelm. Aber ich bin gerade in Thale â mein letzter Auftritt vor der Sommerpause â und da dachte ich mir: Fasse dir ein Herz. Mich haben hundert Fragen aus dem Volk erreicht, und die beantworte ich jetzt. Manche doppelt, viele sehr Ă€hnlich â wie etwa: Wie gehst du mit Anfeindungen um? Mit VorwĂŒrfen, mit Kritik? Wirst du oft angegriffen? SchlĂ€gt dir viel Hass entgegen?
Nein. Ich lebe offline. Und die analoge Welt ist â im Vergleich zur digitalen â ein berĂŒckender Ort. Es wimmelt vor lieben Menschen. Und manchmal scheint es mir, sie werden immer mehr, weil sich die nicht-lieben Menschen netterweise in die sozialen Medien abschieben â mit Hass und Hetze im GepĂ€ck emigrieren sie ins Netz. Warum sollte ich sie dort besuchen?
Es gibt KĂŒnstler, die machen das â aus einem Masochismus heraus, der mir nicht gegeben ist. Manche arbeiten sogar mit den Hasskommentaren gegen sich. Die lesen sie dann auf der BĂŒhne vor. Ich halte das â mit Verlaub â fĂŒr eine kĂŒnstlerische Verhaltenstörung. Sich den getippten Dreck der anderen selbst in den Mund zu legen, das erinnert mich an Tiere in Gefangenschaft. Ich kann das nicht empfehlen.
Wir lernen Jugendlichen gerade den ârichtigen Umgangâ mit sozialen Medien â das klingt ein bisschen wie der richtige Umgang mit Heroin. Ich glaube, den gibt es nicht.
Geht es Ihnen gut? Das ist eine sehr liebe Frage. Ich werde dem kurz nachfĂŒhlen ⊠ja. Ja, es geht mir gut. Warum nicht?
Hast du auch mal schlechte Laune? Ja, aber das werden Sie nie mitbekommen. Wie jeder zivilisierte Mensch lasse ich meine schlechte Laune nur an meiner Familie aus â nicht an Fremden.
Was bringt Sie so richtig auf die Palme? Nichts â was geschĂ€ftsschĂ€digend ist. Als Kabarettist sollte man ja immer etwas anklagen. Ich aber bin fahrlĂ€ssig entspannt. Das liegt auch an meiner Isolation. Ich habe schon einen kleinen Choleriker in mir, den mir viele gar nicht zutrauen. Ich habe einmal im Zorn so fest auf den Tisch geschlagen, dass ich mir selbst den Finger gebrochen habe. Aber diese cholerische Seite â wie auch meine weinerliche â die brauchen Publikum. FĂŒr mich allein lohnt sich das nicht. Ich weine auch nur in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist sehr unterhaltsam, solange man mich nicht kennt.
Ich bin gut fĂŒr Zuschauer â nicht gut fĂŒr Zivilisten. Das weiĂ ich. Und aus Menschenliebe halte ich mich daher von Menschen fern.
Welche ist die wichtigste Frage, die man sich selbst stellen sollte? Ich finde es grundsĂ€tzlich gut, wenn man sich Fragen stellt. Kinder tun das stĂ€ndig. In der Schule hört das auf â da wird man trainiert, Antworten zu geben. Die Erwachsenen haben das so verinnerlicht, dass sie stĂ€ndig antworten, auch wenn sie niemand fragt. Hauptsache, es wird geredet. Und wenn einmal Stille ist, heiĂt es sofort: Man darf ja nichts mehr sagen. Was natĂŒrlich nicht stimmt â im Gegenteil. Wir sind gezwungen, stĂ€ndig zu reden. Kundenbewertungen, Meinungsumfragen ⊠âHaben Sie eine Payback-Karte?â Ich weiĂ bis heute nicht, was das ist.
In einer Diktatur verbietet man Menschen den Mund. In einer Demokratie stopft man ihnen den Mund mit ihren eigenen Worten.
Die unwichtigste Frage, die man sich selbst stellen kann, ist: Wer bin ich? Die liegt gerade im Trend â und wie das meiste, was im Trend liegt, ist sie hochgradig ĂŒberflĂŒssig. Die Suche nach dem Selbst ist wie die Suche nach der Brille, die man am Kopf trĂ€gt. Oder, werâs noch dekonstruktivistischer mag: die Suche eines Blinden nach seinen Kontaktlinsen.
Warum werden die Outfits immer gewagter? Weil die Uhr tickt. Diese Frage kommt erstaunlich oft. Was ist der Zweck? Das Ziel? Ich finde das amĂŒsant â solche Fragen stellt man nie Musikerinnen. Ich glaube, Helene Fischer trĂ€gt im Durchschnitt weniger Stoff als ich. Aber Wort & Nacktheit â das scheint vielen obszöner als Gesang & Nacktheit.
Gerade den Intellektuellen, denen mein Aufzug zu vulgĂ€r ist, möchte ich Kant ins GedĂ€chtnis rufen: Erkenntnis entsteht aus der Wechselwirkung von Verstand und sinnlicher Anschauung. Ganz im Ernst: Alle BĂŒhnenkĂŒnstler haben einen gewissen Exhibitionismus. Ich zieh einfach an allen Fronten durch. Ich erzĂ€hle nicht nur Privates â ich zeige es auch. Und wer das zu viel â oder zu wenig â findet, der soll froh sein, dass ich ĂŒberhaupt was anhabe. Am Anfang hatte ich nĂ€mlich noch keine Texte. Da habe ich als Aktmodell gearbeitet â bin durch ganz Berlin gerannt, habe mich vor jedem Hobbymaler ausgezogen. Ein Wunder, dass ich ĂŒberlebt habe. SpĂ€ter trug ich meine ersten Texte in Galerien vor â nackt. Im Vergleich dazu sind meine Outfits heute fast prĂŒde.
Welche Rolle spielt Humor in deinem privaten Leben? Eine groĂe. Selbstironie ist mir lieber als Selbstoptimierung. Wenn es mir schlecht geht, möchte ich nicht Mitleid â ich möchte, dass sich jemand ĂŒber mein Leiden lustig macht. Mitleid ist parasitĂ€r. Und es Ă€ndert nichts. Die ultimative Situation ist ohnehin: Wir mĂŒssen alle sterben. Die Frechheit daran ist, dass wir es wissen. Aber unser Trostpreis heiĂt Humor. In jedem Lachen steckt ein bisschen dieses irre, trotzige Lachen angesichts des Todes. Nur wer den Tod fĂŒrchtet, lacht wenig â und bei denen sage ich immer: Obacht.
Was sind deine drei wichtigsten Werte? Liebe, Hoffnung, Glaubersalz. Wobei Hoffnung schwierig ist â das habe ich von Seneca gelernt. Hoffnung geht immer mit Furcht einher, und fĂŒr Furcht bin ich nicht empfĂ€nglich. Beides ist zukunftsgerichtet â und ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich kann auch nicht zurĂŒck. Ich lebe tierisch im Jetzt. Ich kann weder hoffen noch bedauern. Manche finden das beneidenswert â ich finde es ⊠praktikabel. Mit Nachteilen.
Wann kommen dir deine besten Ideen? Wenn ich sie zwinge. Der Musenkuss lÀuft bei mir nicht freiwillig. Ich hole ihn mir. Ich muss mich bewusst an den Schreibtisch setzen und mir sagen: Schreib, du Sau. Wenn ich das nicht tue, bin ich geistlos. Standby-Modus. Mein IQ dann im Minusbereich.
Was ist dein IQ? Ich weiĂ es nicht. Und es interessiert mich nicht. IQ, Gewicht, Cholesterin â Zahlen interessieren mich nicht. Ich bin ein Kind des Wortes. Und wo gezĂ€hlt wird, wird nicht erzĂ€hlt.
Wie bist du zum Kabarett gekommen? Ich bin â wie erstaunlich viele â ein gescheiterter Lehrer. Ein Klassenzimmer kann man nicht abdunkeln, man muss den Kindern in die Augen schauen. Das ist anstrengend. Wir, die wir von der Schule auf die BĂŒhne gewechselt sind, wollten einfach stumpf geliebt werden â und das darf als Lehrer nicht die PrioritĂ€t sein. Ich habe ein Jahr lang unterrichtet. Die Kinder, die bereit waren, mich zu lieben, habe ich verhĂ€tschelt. Die anderen gequĂ€lt. Beides war unprofessionell.
Sind die BĂŒhnenklamotten aus dem Zug nach Ulm wieder aufgetaucht?
Ja, danke der Nachfrage. FĂŒr alle, die es nicht mitbekommen haben: Mein gesamtes BĂŒhnenoutfit war plötzlich weg. Ich musste in Trainingshose auftreten â was ein Erfolg fĂŒr den Sport, aber ein RĂŒckschlag fĂŒr die Kunst war. Es war kein Diebstahl, sondern missglĂŒckte Hilfsbereitschaft. Jemand hat die Tasche mitgenommen, weil er dachte, sie sei vergessen worden. Und dann â offenbar seiner eigenen Hilfsbereitschaft ĂŒberdrĂŒssig â hat er sie in einen anderen Zug geworfen. Nach einer Woche war sie wieder da. Ich war erleichtert. Denn ich spiele jedes Programm zwei Jahre lang â ohne das Outfit je zu waschen. Die UnterwĂ€sche darin hatte also⊠Sammlerwert.
Warst du als Jugendliche schon so eloquent?
Nicht durchgĂ€ngig. Es gab viele Abende, an denen Kokoslikör mein Vokabular halbierte. Aber ich hatte sicher schon als Kind eine Neigung zur Ăberkompensation. Ich komme vom Land und hatte einen sehr originellen Dialekt, den in der Stadt niemand verstand â was mir peinlich war. Ich bin ein Kind der 90er, ich musste noch um Gehör kĂ€mpfen. Heute bestimmen schon Kleinkinder, was die Familie anzieht, isst und unternimmt. Damals musste man durch Lustigkeit Redezeit erschleichen. Und sobald ich begann zu floskeln, moralisieren oder langweilen â wurde ich aus dem GesprĂ€ch gebasst. Und das war gut so.
Warum so wenige Shows in Ăsterreich? Kommst du mal in die Schweiz?
Ich frage mich das selbst â besonders wenn ich wieder in einem deutschen Backstage sitze, eine regionale SpezialitĂ€t esse und denke: Wie lange dauert das Leiden noch? Wann darf ich zurĂŒck nach Ăsterreich? Oder in die Schweiz? Bald! Das neue Programm wird massenkompatibler. Es heiĂt âIch war mal werâ.
Haustiere?
Nein. Was Tiere betrifft, habe ich einen Grundsatz: Ist es â oder lass es. Ich zwinge kein Tier, mein Freund zu sein.
Was machst du nach den Auftritten?
Ich gehe ins Bett. Ich möchte danach kein Wort mehr sprechen. Ich bin dann wie ein Mann nach dem Orgasmus â beglĂŒckt, stumm, zur Seite gerollt.
Wie kann man Sie verblĂŒffen?
Sehr leicht. Ich habe nur die Sprache â sonst nichts. Alles, was Menschen mit ihren HĂ€nden tun â sei es die Tonleiter spielen oder Kaugummiblasen machen â beeindruckt mich zutiefst.
Was ist das Schwierigste an deinem Job?
Die Schnellebigkeit. Tragische Ereignisse brauchen Zeit, um komisch zu werden. Nur deckt sich diese Zeit oft nicht mit dem Erinnerungsvermögen des Publikums. Und: Die Balance zwischen Publikumsbeschimpfung und Publikumsumarmung. Zwischen Bedeutungsschwere und Leichtigkeit. Zwischen Witz und Weisheit.
Schreibst du deine Programme selbst?
Ja. Ich kann keinen Knopf annĂ€hen â aber ich kann Texte weben. Alles ist von mir. Die Stoffe der Kleidung wĂ€hle ich auch selbst, aber genĂ€ht wird woanders. Geschminkt werde ich nur, wenn das Fernsehen es verlangt. Privat trage ich maximal Lippenstift â weil ich es sonst nicht kann. Wenn ich mich schminke, sieht es aus, als hĂ€tte man mir beim Paintball ins Gesicht geschossen.
Woher nimmst du deine stÀndig aktuellen Pointen? Du kannst ja nicht 20 Stunden am Tag arbeiten.
Leider nicht. Ich wĂŒrde gern. Aber ich brauche viel Schlaf â verteilt auf viele kleine Nickerchen. Wenn ich wach bin, schreibe ich. Ich habe zum GlĂŒck keine Hobbys. Ab und zu gönne ich mir Phasen der Verliebtheit â aber eher als Vorwand, um Liebesbriefe zu schreiben. Kurz: Ich mache nichts im Leben, das sich nicht irgendwie verschriftlichen lĂ€sst. Sobald ich nicht schreibe, stĂŒrzt meine ganze IdentitĂ€t ein.
Was sagst du, wenn der Playboy anfragt?
Sie dĂŒrfen gern meinen Schritt ablichten â aber legen Sie bitte einen schwarzen Balken ĂŒber die Neurodermitis.
Tauchgang oder Fallschirmsprung?
Weder noch. Ich vertraue der Evolution. Wenn die Natur gewollt hĂ€tte, dass ich mich unter Wasser oder in der Luft bewege, hĂ€tte sie mich dafĂŒr ausgestattet. Wenn ich einen Adrenalinkick brauche, gehe ich einfach aus dem Haus. Das zĂ€hlt fĂŒr mich als Fallschirmsprung.
Ist Zynismus bei dir angeboren oder ein Langzeitprojekt?
Weder noch. Ich bin kein Zyniker und kein Freund des Sarkasmus. Das mag manchmal in meinem Humor vorkommen, aber grundsÀtzlich ist mir das zu negativ. Zynismus wirkt auf mich wie der letzte Strohhalm vor der Depression. Ich bin kein Pessimist. Ich bin heiter hoffnungslos.
Was ist der betörendste Text, den du je gelesen hast?
Ich habe bei Rousseau eine schöne Formulierung gefunden â er sprach von BĂŒchern, die man nur mit einer Hand liest. Implizit: Weil man die andere fĂŒr sich selbst braucht. Solche BĂŒcher lese ich gern mit einer Hand â zum Beispiel jene von Marquis de Sade. Das erste war âJustine oder die Vorteile des Lastersâ. So hieĂ auch eines meiner Programme. Ich musste solche BĂŒcher lesen â denn meine Eltern verweigerten das Internet. WĂ€hrend meine Klassenkameraden lĂ€ngst vor dem Bildschirm masturbierten, musste ich noch literarisch onanieren.
Warum bist du nach Deutschland gezogen?
Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich fĂŒhre eine tierische Existenz â ohne groĂe Reflexion. Davor war ich in Frankreich, davor in England â und in keinem Fall weiĂ ich, warum ich kam oder ging. Vielleicht verlasse ich ein Land, wenn sich zu viele Menschen in meinem Leben ansammeln. Zwei, meist. Denen gaukle ich dann meinen Tod vor â und wandere aus.
Darf ich ein Autogramm von dir haben?
Ja.
Was machst du am liebsten in deiner Freizeit?
Arbeiten.
Wie alt warst du, als du dich fĂŒr deine Karriere entschieden hast?
Die Karriere hat sich fĂŒr mich entschieden. Das war ein langsamer Prozess. Als Kind wollte ich Schokoladentesterin werden.
Kannst du ungestört einkaufen oder mit deinem Sohn auf den Spielplatz gehen?
Gott sei Dank nicht. Es kommen ein, zwei Menschen her und grĂŒĂen mich â das freut mich sehr. Sonst wĂŒrde ich an meiner Existenz zweifeln. Mein Sohn wĂ€chst dadurch in einem sehr freundlichen Weltbild auf â in einem scheinbar dörflichen Leipzig, in dem ihn alle grĂŒĂen. Nur auf Selfies könnte ich verzichten. DafĂŒr bin ich zu alttestamentarisch â ich hĂ€tte gerne ein Bilderverbot verhĂ€ngt. Aber ich kann bekanntlich nicht nein sagen.
Was ist dein Lieblingsbuch?
Das Gesamtwerk von Nietzsche. Ich könnte mich nicht entscheiden â jeder Satz ist mir Hirte und Stab, in guten wie in schlechten Zeiten.
Vermissen Sie nie die steirische Heimat, die blunzenfetten Wirtshausdiskussionen?
NatĂŒrlich. Jeden Tag. Trotzdem bin ich froh, nicht mehr in Ăsterreich zu wohnen. Denn jetzt, wenn ich heimkomme, freue ich mich ĂŒber alles â die Landschaft, das Essen, den Dialekt. Diese Freude hĂ€tte ich nicht, wenn ichâs tĂ€glich hĂ€tte.
Wann kommt das dritte Buch? Arbeiten Sie an einem neuen?
Ob Sie wollen oder nicht â es wird kommen. Auch ein viertes, fĂŒnftes, sechstes. Aber das wird dauern. Die ersten zwei BĂŒcher sind schnell entstanden â dank Lockdown und Kinderlosigkeit. Beides ist nicht mehr gegeben, was sehr schön ist. Aber BĂŒcher schreiben geht gerade nicht.
Gibt es einen Witz, den du selbst nicht mehr hören kannst, aber alle lieben ihn?
Nein â eher umgekehrt. Es gibt Witze, die liebe ich, aber die kann sonst keiner mehr hören.
Lieber Tee oder Kaffee?
Tee. Mein Liebling ist â vermutlich falsch ausgesprochen â Lapsang Souchong. Ein gerĂ€ucherter Tee, der riecht wie Speck. Wie mein Tabak: hellblauer Drum.
Hat sich deine Wahrnehmung Deutschlands verÀndert, seit du hier wohnst?
Nein â ich hatte vorher keine. Ich habe Deutschland nie bedacht, wusste nichts von Ost oder West. Ich dachte, das sei einfach Stolz auf Himmelsrichtungen. Ich habe es nachgeholt. Mittlerweile schaffe ich beim EinbĂŒrgerungstest-Simulator ĂŒber 30 Prozent.
Was begeistert dich an Leipzig am meisten?
Das Völkerschlachtdenkmal. Da wĂŒrde ich gern einziehen.
Lieblingsgericht? Kannst du kochen?
Karamellisierte Gelbschwanzmakrele â steht leider selten auf der Karte. Kochen kann ich zwei Dinge: Rehbraten und Bouillabaisse. Alles andere endet in geschmacklicher Zwölftonmusik.
Wann sieht man Sie wieder auf Sylt?
Bestimmt irgendwann. Aber vorher möchte ich noch auf die andere Trash-Insel: Mallorca. Im Bierkönig auftreten â das wĂ€re mal was.
Was wĂŒrde Erich Fromm ĂŒber die heutige Zeit schreiben?
Dasselbe wie immer â er hat sich ja nie geirrt. Maschinen funktionieren wie Menschen, Menschen funktionieren wie Maschinen. Und das schrieb er noch ohne ChatGPT. Heute scheint es wirklich vom âHabenâ zum âSeinâ zu gehen â aber auch das âSeinâ ist nicht immer erleuchtet. Die narzisstischen AbgrĂŒnde des Selbst sind tiefer geworden.
Wie bist du so authentisch geworden?
Ich liebe diese Frage. Sie widerspricht sich selbst. AuthentizitĂ€t wird oft verstanden als âsei einfach du selbstâ. Ich aber halte es mit Nietzsche: âWerde, wer du bist.â Das reicht â da braucht es keine Antwort.
Was hat Sie beim Schreiben Ihres neuen Programms âIch war mal werâ inspiriert?
Die Vorstellung, dass meine Karriere irgendwann endet â nicht durch Cancel Culture, sondern demĂŒtigender: durch die Logik des Marktes. Und diese Zeit danach habe ich mir jetzt schon auf der BĂŒhne ausgemalt. Ohne Kritiker, ohne Angst, Publikum zu verlieren â eine kĂŒnstlerische Freiheit, die ich mir vorweggenommen habe. Der Titel âIch war mal werâ war eigentlich fĂŒr mein Comeback mit 90 gedacht â aber dann wĂ€re mein Publikum ja schon tot, und der Witz verschenkt.
Haben Sie einen Lieblingsfilm?
âDas groĂe Fressenâ. So möchte ich aus der Welt gehen â mich eine Woche lang in eine Villa einschlieĂen und zu Tode kopulieren und fressen. Sehr wĂŒrdevoll. Weitere Favoriten: âJohanna von OrlĂ©ansâ, âHannibalâ, âJurassic Parkâ.
Wie wichtig ist Leonard Cohen fĂŒr dich?
Sehr. 2016 â als man versehentlich Bob Dylan den Literaturnobelpreis gab â habe ich laut aufgeschrien. Cohen ist der einzige Prominente, den ich je um ein Foto bat â streng genommen war es umgekehrt. Ich stand stundenlang vor dem Hotel, hatte mir eine Rede ĂŒberlegt â und stotterte dann. Es war so peinlich, dass er mich irgendwann fragte, ob wir ein Foto machen wollen. Empfehlung: das Album The Book of Longing â Philip Glass vertont Cohens Gedichte. Der Prolog âI Canât Make the Hillsâ ist fantastisch. Ich entdeckte Cohen ĂŒbrigens durch den Film Natural Born Killers â einer meiner Lieblingsfilme.
Was treibt dich an?
Ich weiĂ es nicht. Ich bin so getrieben, dass ich nie Zeit habe, mich umzudrehen und nachzusehen.
Welchen Duft trÀgst du?
Il Profumo âAmbra Aureaâ. EnthĂ€lt Ambra â eine Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen. Sie wird ausgeschieden â erbrochen oder hinten raus. Treibt dann an die KĂŒste, ParfĂŒmeure sammeln es ein, ich schmiere es mir drauf. Trage ich aber selten â meist gar nichts. Das erleichtert die Partnerwahl: Wer mich riechen kann, darf bleiben.
Verlierst du auf der BĂŒhne manchmal den Faden?
Nein. Ich arbeite lange an meinen Texten â und halte mich daran. Ich bin kein ImprovisationskĂŒnstler. PublikumsgesprĂ€che ĂŒberlasse ich anderen â aus Unvermögen und RĂŒcksicht. Ich selbst wĂŒrde als Zuschauer nie von der BĂŒhne aus angesprochen werden wollen. Diese Interaktionen haben oft Knalleffekt, aber wenig NĂ€hrwert.
Wie hÀltst du dich fit?
Obacht â ich bin schlank, nicht fit. Ich war kĂŒrzlich im RadgeschĂ€ft, ĂŒberzeugt, ich hĂ€tte an beiden Reifen einen Platten. Die waren in Ordnung â ich habe einfach keine Kraft in den Beinen. Die Arme gehen. Bauch wird nicht trainiert. Nur der Hintern â den muss ich nicht sehen.
Mit welcher historischen Person wĂŒrdest du gerne streiten?
StreitgesprĂ€ch? Nein â lieber Briefe schreiben. Nicht mit Goethe â zu viele Naturmetaphern. Nicht mit Kafka â der jammert zu viel. Aber mit Napoleon. Wir hĂ€tten uns sicher gut verstanden. Der mochte auch dreckige Frauen â schrieb Josephine: âHör auf, dich zu waschen, ich komme heim.â Ich auf Tour, er auf Feldzug â perfekt.
Was wĂŒrden Sie retten, wenn Ihre Wohnung brennt?
Meinen Sohn â und der darf sich zwei Dinge aussuchen. Ich kann kaum etwas wegwerfen, bin aber fĂŒr alles dankbar, was verloren geht. Ein Wohnungsbrand wĂ€re eine Erleichterung. Bitte trotzdem kein Aufruf zur Brandstiftung!
Gibt es Themen, die du dir nicht zu behandeln traust?
Trauen ist das falsche Wort. Ich maĂe mir vieles nicht an. Pandemien, geopolitische Konflikte â da urteile ich nicht ĂŒber das Ereignis, sondern ĂŒber die Reaktion der Menschen. Tabus kenne ich nicht. Humor soll das Leben erleichtern, und das kennt keine Tabus. Aber als Zuschauerin bin ich zarter besaitet. Seit ich ein Kind habe, halte ich keine Witze mehr ĂŒber Gewalt gegen Kinder aus. Auf der BĂŒhne mache ich sie trotzdem â da bin ich gnadenlos.
Was sagst du zur heutigen Humorhysterie?
Die Leute sind abgestumpft gegenĂŒber Leichenbildern â aber schreien bei einem falschen Pronomen. Oder wenn ich ein Popöchen zeige. Sie schalten um zum Tatort, um sich zu beruhigen â das verwirrt mich.
Was sagst du ĂŒber SĂŒdtirol?
Wir wĂŒrden es nehmen â aber uns fehlen die Waffen zur Annexion.
Schon mal echte Leipziger Gose probiert?
Hat gedauert, bis ich wusste, was das ist. Betrunkene MĂ€nner empfahlen es mir schmierlĂ€chelnd. Klang eher wie der Spitzname einer schwitzenden Stadtschlampe. Aber nein â es ist Bier. Und da bin ich raus. Ich trinke zum Essen: Wein. Und harten Schnaps.
Welche Frage darf man dir bei einem Interview nie stellen?
âHaben Sie gerade Ihren Eisprung?â FĂ€nde ich deplatziert. Aber grundsĂ€tzlich: Fragen Sie, was Sie wollen. Besonders mag ich Fragen mit Welthaltigkeit. Zum Beispiel: âWovor fĂŒrchten Sie sich mehr â vor der Dummheit der Masse oder vor der Intelligenz des Einzelnen?â Antwort: Vor beidem â in Kombination. Intelligente Einzelne, die an die Dummheit der Masse appellieren â das ist gefĂ€hrlich. Und dieses inflationĂ€re âdummâ nervt. Jeder nennt jeden dumm â weil man nicht einer Meinung ist. Dabei gibt es an den Schulen nur noch Hochbegabte. Und unter Erwachsenen nur noch Idioten. Das passt nicht.
Ăber welchen Kollegen lachst du am meisten?
Das kann ich nicht sagen â sonst werfen sich alle anderen vor die U-Bahn. Aber ja, es gibt einen Favoriten.
Warum sieht man Sie nie in Leipzig?
Weil ich privat angezogen bin. Undercover. Kapuzenpulli, Jogginghose â so erkennt mich niemand. Ich erinnere mich an eine Frau beim HotelfrĂŒhstĂŒck in Rostock. Sie fĂŒllte den Omelettrog auf, kam zu mir, flĂŒsterte: âSie haben sich gut verkleidet.â Da wusste ich: Die hatâs verstanden. Die Trainingshose bin nicht ich. Die BĂŒhnenfigur â das ist mein wahres Ich.
Einen schönen Sommer. Tata. đ