Vertrauen ins Unbekannte. Katie Kamara

veröffentlicht bei Pam Younghans.

Ganz gleich, wie sorgfältig wir unsere Routinen planen oder unsere Ambitionen ausrichten – Unvorhergesehenes tritt immer ins Bild: ungebeten, unvorhersehbar, unabweisbar.
Zu leben bedeutet, sich Variablen hinzugeben, die wir nicht kontrollieren können, und mitzuerleben, wie die Gewissheit als dominantes Fundament der Existenz zusammenbricht.
Das Unbekannte ist kein vorübergehendes Hindernis, sondern die eigentliche Grundbedingung der Realität selbst.

Doch Vertrauen ins Unbekannte – frei von Sentimentalität – ist kein mystischer Akt, sondern eine rationale Haltung: das Eingeständnis, dass die Komplexität der Welt unsere Fähigkeit zur Vorhersage übersteigt. So wie uns die Quantenmechanik lehrt, dass Unbestimmtheit kein Fehler, sondern ein Prinzip ist, entfaltet sich auch das menschliche Leben in einem Raum, in dem Wahrscheinlichkeiten mehr bedeuten als Garantien.
Die Karte, die wir zeichnen, kann niemals das gesamte Terrain in seiner wandelbaren Ganzheit erfassen; immer wieder sind wir gezwungen, mit fragmentarischem Wissen zu navigieren und das Vorläufige als dauerhaft zu umarmen.

Betrachten wir, wie Systeme sich entwickeln: Innovation entspringt nicht vollkommener Voraussicht, sondern Unterbrechung – aus Störungen, die die Linearität des Fortschritts aufbrechen. Der Motor der Entdeckung war immer schon das Unerwartete. Serendipität* in der Wissenschaft, Irrtum im Design, Zufall in Begegnungen – sie alle weisen auf eine Wahrheit hin, die wir gerne verdrängen, aber der wir nicht entkommen: Ungewissheit ist kein Scheitern von Ordnung, sondern ihr produktivstes Merkmal.

[*Serendipität ist das Glück des unerwarteten Findens.]

Vertrauen ins Unbekannte zu setzen bedeutet also, sich mit der Realität auszurichten, dass Kontrolle immer nur teilweise und Wissen stets unvollständig ist. Das Unbekannte ist kein leeres Nichts, sondern ein Feld verborgener Strukturen, die auf ihre Verwirklichung warten. Unsere Aufgabe ist nicht, es zu beherrschen, sondern ihm mit Wachheit, Anpassungsfähigkeit und dem Verzicht auf falsche Gewissheiten zu begegnen.

Daraus entsteht ein Paradox: Je mehr wir nach absoluter Vorhersagbarkeit streben, desto zerbrechlicher werden unsere Systeme, wenn die Überraschung unvermeidlich eintritt. Es sind diejenigen, die sich auf das Unvorhersehbare einstimmen, die Ungewissheit nicht als Bedrohung, sondern als Rohstoff betrachten, die überdauern, innovieren und die Bedingungen des Möglichen neu definieren.

Die Herausforderung ist also nicht, ob das Unbekannte auftaucht – das tut es immer.
Die Herausforderung ist, wie fein wir unseren Geist darin schulen, ihm zu begegnen – nicht mit Aberglauben, nicht mit Resignation, sondern mit jener geistigen Haltung, die erkennt: Die Risse in unserer Voraussicht sind die Orte, an denen neue Welten beginnen.

Artwork von Lisa Aisato

© Übersetzung Rosi … https://www.esistallesda.de/

Pam Younghans: https://www.facebook.com/reel/1989981308485596