Und sie bewegt sich doch! Martin Sonneborn

Rosi zum Video von Martin Sonnenborn:

Ich wünsche mir ein Land, das nicht von „Helden“ abhängig ist.

Ein Land, in dem wir einander tragen, statt auf den einen zu hoffen, der alles richtet.

Wenn wir ehrlich sind: Es beginnt bei uns. In Gesprächen. In der Art, wie wir zuhören. In dem Mut, nicht mitzuschwimmen.

In der Entscheidung, menschlich zu bleiben.

Lass uns gemeinsam ein Umfeld schaffen, in dem Mut normal ist – und Heldentum überflüssig.

Meine Europapolitische Beraterin sollte eine versöhnliche Jahresabschlussrede schreiben. Smiley! Sehen Sie selbst, was dabei herauskam… Besinnliche Feste!

https://www.youtube.com/@MartinSonneborn

Rosi/esistallesda.de:

Zur Person Martin Sonneborn

Martin Sonneborn (*1965) ist ein deutscher Satiriker, Publizist und Politiker. Bekannt wurde er als langjähriger Chefredakteur des Satiremagazins Titanic. Er ist Gründer und Vorsitzender der Partei DIE PARTEI und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Sonneborn ist für seine scharfzüngige, polemische Kritik an Machtstrukturen, EU-Institutionen und politischer Heuchelei bekannt und verbindet Satire gezielt mit politischer Aufklärung.

Transkript des Videos:

„Und sie bewegt sich doch.“ – Galileo Galilei

Während die Kommissionspräsidentin unwidersprochen eine dicke Lüge an die vorangegangene reiht – etwa die, US-Frackinggas wäre „billiger und besser“ als russisches, oder die, sie werde die EU zur demokratischsten und transparentesten aller Zeiten machen, oder die, der Diebstahl von Zentralbankvermögen wäre „legal“ – geht sie gegen unbescholtene Bürger mit einer brachialautoritären Willkür vor, wie sie nur aus der Geschichte von Diktaturen bekannt ist.

Gerade hat die EU gegen den Militärhistoriker Jacques Baud, Oberst a. D. des Schweizer Geheimdienstes, angesehener Analyst und Bestsellerautor, Sanktionen wegen der Verbreitung „russischer Propaganda“ verhängt. Anders als Frau von der Leyen hat der universalwissenschaftlich gebildete Eidgenosse sich allerdings nicht das Geringste zuschulden kommen lassen: Er hat keine demokratischen Rechenschaftspflichten verletzt und nicht gegen Verhaltenskodizes oder Regularien für öffentliche Bedienstete verstoßen. Noch nie hat er sich rechtswidrig Präsidentinnengewalten angemaßt, die ihm gar nicht zustehen.

Er ist nicht käuflich und korrupt, mauschelt nicht hinter pseudodemokratischen Kulissen und kollaboriert auch nicht mit Faschisten, Postfaschisten, Protofaschisten oder Hybridfaschisten – inner- oder außerhalb der EU. Er hat keine zwei- oder dreistelligen Milliardenbeträge aus öffentlichen Geldern an kriminelle Potenzmitteldullis und Rüstungsknaller verschoben oder verprasst. Er hat niemanden umgebracht, niemandes Grundintelligenz beleidigt und kein Verbrechen begangen – er hat noch nicht einmal gelogen.

In seinen lesens- und hörenswerten Discorsi hat er, der ehemalige CIA-Mann und NATO-Berater, nie russische, sondern ausschließlich ukrainische, europäische und US-Quellen angeführt und sich lediglich erlaubt, aus den dort hinterlegten Fakten andere Schlüsse zu ziehen, als von der Leyen und Kallas es gerne hätten.

Die Sanktionen erfolgen ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil. Ohne dem „Beschuldigten“ auch nur die Möglichkeit einer Stellungnahme, geschweige denn einer Verteidigung einzuräumen – und ohne dass auch nur annähernd klar wäre, wie genau (oder ob überhaupt) ein von solcherlei Sanktionswillkür betroffener Bürger – mittlerweile stehen 59 Europäer auf der Sanktionsliste – gegen diesen Erlass vorgehen könnte.

Ein rechtsstaatlicher Albtraum. Die Willkürverfügung eines nichtstaatlichen Gebildes – getroffen hinter willkürlich verschlossenen Türen, gestützt auf willkürlich geheim gehaltenes Raisonnement und erlassen von einem gesichts-, namen- und niveaulosen Willkürapparat, zu dem die EU einhundertundzehn Jahre nach Kafkas Der Prozess geworden ist.

Wie Sie sehen, entwickelt sich Europa unter Führung von der Leyens nicht vorwärts, sondern in großen Schritten zurück. Mit ihrer nun auf Jacques Baud und andere angewandten Deppentheorie von der „fünften Kolonne“ ist man intellektuell bereits treffgenau im Jahr 1936 angekommen, als der Begriff vom kurz darauf von Franco ermordeten spanischen Militärfaschisten Emilio Mola geprägt wurde.

Noch eine rechtswidrige Umdrehung – und eine Präsidentinnenamtszeit – weiter, und die EU wird im Mittelalter angekommen sein: mit von der Leyen in der Rolle der gottlosen Päpstin, die jeden, der die Erde dennoch um die Sonne kreisen sieht – gegen das EU-Dogma! – mit formalisierten Inquisitionsverfahren als Häretiker zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Wissenschaft, Wahrheit und ethische Verantwortung im Würgegriff eines voraufklärerisch-absolutistischen Denkmodells, das nicht Vernunft, nicht Wahrheitssuche und nicht die Notwendigkeit des Zweifels, sondern beweislos-tumbe Rechtgläubigkeit zum Universalprinzip erhebt.

Die EU ist ein reines Vertragskonstrukt, eine Kopfgeburt. Keine Bürgerbewegung, keine Revolution, keine Verfassung liegen ihr zugrunde. Ihre Existenz verdankt sie nicht dem dezidierten Willen des europäischen Demos, sondern einer Handvoll Verträge zwischen europäischen Staaten – ein großer, entscheidender Unterschied.

Solange dieses prometheische Geschöpf „EU“ sich im Rahmen seiner vertraglich-rechtlichen Programmierung bewegte, mochte seine Legitimität begründbar sein. Seit von der Leyen die Kommission übernommen hat, ist das nicht mehr der Fall. Es gibt keinen wesentlichen Artikel des relevanten Vertragswerks, den die EU unter ihrer Führung nicht verletzt hätte: von der vertragswidrigen Usurpation von Kompetenzen über die Aneignung fremder Politikfelder bis zur vertragswidrigen Präsidialisierung der Kommission, Militarisierung und Verschuldung der EU, der absichtlichen Intransparenz sowie der schwersten antidemokratischen Autoritarismen gegenüber Bürgern und Mitgliedsstaaten seit Jahrzehnten. Vom nicht rechtskonformen Gebrauch der Omnibus-Gesetzgebung bis zum rechtswidrigen Einsatz von Notstandsklauseln zur illegalen Aushebelung des Eigentumsrechts durch Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips.

Die EU ist an einem Punkt angekommen, an dem sie keine Ähnlichkeit mehr mit dem der Wirtschaftsförderung, Wohlstandsmehrung und Friedenssicherung verpflichteten Vertragsprojekt hat, als das sie einst gegründet wurde. Unter von der Leyen hat sie so vielfach und so schwer gegen Geist und Inhalt jener Verträge verstoßen, die ihre einzige Legitimationsgrundlage sind, dass nur festzuhalten bleibt: Die EU kann ihre Legitimation nicht aus Verträgen herleiten, die sie selbst nicht achtet.

Bertolt Brecht lässt Andrea Sarti, den durch Jugend naiven Sohn von Galileos Haushälterin, in seinem Theaterstück sagen: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat.“
„Nein“, antwortet Galileo, „unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“

In diesem Sinne: aufgeklärte und friedliche Weihnachten.
Tschüss draußen an den Geräten.


Schlusswort Rosi

Wir leben in Zeiten, in denen viele auf „HeldInnen“ warten: auf RetterInnen, starke Figuren, klare Ansagen von oben. Aber ein gesundes Land braucht keine Helden. Es braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen – im Kleinen wie im Großen. Menschen, die hinschauen, nachfragen, widersprechen, wenn etwas nicht stimmt. Menschen, die fair bleiben, auch wenn es einfacher wäre, hart zu werden.
Sei heute nicht ZuschauerIn, sondern MitgestalterIn. Deine Stimme zählt. Dein Blick zählt. Deine Haltung zählt. Denn dort, wo viele aufrecht stehen, muss niemand „heldenhaft“ sein.