
Wollte nur mal eben kurz reinhören … und bin dann hängen geblieben.
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© Transkript / Zusammenfassung / Rosi/esistallesda.de
Ich bin ja kein großer Freund von Sommerinterviews – ich weiß nicht, wann das angefangen hat, dass hochrangige Politiker sich zu diesem Populismus hinreißen lassen. Ich zumindest kann mich nicht erinnern an das große Sommerinterview mit Kaiser Wilhelm. Aber ich bin gerade in Thale – mein letzter Auftritt vor der Sommerpause – und da dachte ich mir: Fasse dir ein Herz. Mich haben hundert Fragen aus dem Volk erreicht, und die beantworte ich jetzt. Manche doppelt, viele sehr ähnlich – wie etwa: Wie gehst du mit Anfeindungen um? Mit Vorwürfen, mit Kritik? Wirst du oft angegriffen? Schlägt dir viel Hass entgegen?
Nein. Ich lebe offline. Und die analoge Welt ist – im Vergleich zur digitalen – ein berückender Ort. Es wimmelt vor lieben Menschen. Und manchmal scheint es mir, sie werden immer mehr, weil sich die nicht-lieben Menschen netterweise in die sozialen Medien abschieben – mit Hass und Hetze im Gepäck emigrieren sie ins Netz. Warum sollte ich sie dort besuchen?
Es gibt Künstler, die machen das – aus einem Masochismus heraus, der mir nicht gegeben ist. Manche arbeiten sogar mit den Hasskommentaren gegen sich. Die lesen sie dann auf der Bühne vor. Ich halte das – mit Verlaub – für eine künstlerische Verhaltenstörung. Sich den getippten Dreck der anderen selbst in den Mund zu legen, das erinnert mich an Tiere in Gefangenschaft. Ich kann das nicht empfehlen.
Wir lernen Jugendlichen gerade den „richtigen Umgang“ mit sozialen Medien – das klingt ein bisschen wie der richtige Umgang mit Heroin. Ich glaube, den gibt es nicht.
Geht es Ihnen gut? Das ist eine sehr liebe Frage. Ich werde dem kurz nachfühlen … ja. Ja, es geht mir gut. Warum nicht?
Hast du auch mal schlechte Laune? Ja, aber das werden Sie nie mitbekommen. Wie jeder zivilisierte Mensch lasse ich meine schlechte Laune nur an meiner Familie aus – nicht an Fremden.
Was bringt Sie so richtig auf die Palme? Nichts – was geschäftsschädigend ist. Als Kabarettist sollte man ja immer etwas anklagen. Ich aber bin fahrlässig entspannt. Das liegt auch an meiner Isolation. Ich habe schon einen kleinen Choleriker in mir, den mir viele gar nicht zutrauen. Ich habe einmal im Zorn so fest auf den Tisch geschlagen, dass ich mir selbst den Finger gebrochen habe. Aber diese cholerische Seite – wie auch meine weinerliche – die brauchen Publikum. Für mich allein lohnt sich das nicht. Ich weine auch nur in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist sehr unterhaltsam, solange man mich nicht kennt.
Ich bin gut für Zuschauer – nicht gut für Zivilisten. Das weiß ich. Und aus Menschenliebe halte ich mich daher von Menschen fern.
Welche ist die wichtigste Frage, die man sich selbst stellen sollte? Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man sich Fragen stellt. Kinder tun das ständig. In der Schule hört das auf – da wird man trainiert, Antworten zu geben. Die Erwachsenen haben das so verinnerlicht, dass sie ständig antworten, auch wenn sie niemand fragt. Hauptsache, es wird geredet. Und wenn einmal Stille ist, heißt es sofort: Man darf ja nichts mehr sagen. Was natürlich nicht stimmt – im Gegenteil. Wir sind gezwungen, ständig zu reden. Kundenbewertungen, Meinungsumfragen … „Haben Sie eine Payback-Karte?“ Ich weiß bis heute nicht, was das ist.
In einer Diktatur verbietet man Menschen den Mund. In einer Demokratie stopft man ihnen den Mund mit ihren eigenen Worten.
Die unwichtigste Frage, die man sich selbst stellen kann, ist: Wer bin ich? Die liegt gerade im Trend – und wie das meiste, was im Trend liegt, ist sie hochgradig überflüssig. Die Suche nach dem Selbst ist wie die Suche nach der Brille, die man am Kopf trägt. Oder, wer’s noch dekonstruktivistischer mag: die Suche eines Blinden nach seinen Kontaktlinsen.
Warum werden die Outfits immer gewagter? Weil die Uhr tickt. Diese Frage kommt erstaunlich oft. Was ist der Zweck? Das Ziel? Ich finde das amüsant – solche Fragen stellt man nie Musikerinnen. Ich glaube, Helene Fischer trägt im Durchschnitt weniger Stoff als ich. Aber Wort & Nacktheit – das scheint vielen obszöner als Gesang & Nacktheit.
Gerade den Intellektuellen, denen mein Aufzug zu vulgär ist, möchte ich Kant ins Gedächtnis rufen: Erkenntnis entsteht aus der Wechselwirkung von Verstand und sinnlicher Anschauung. Ganz im Ernst: Alle Bühnenkünstler haben einen gewissen Exhibitionismus. Ich zieh einfach an allen Fronten durch. Ich erzähle nicht nur Privates – ich zeige es auch. Und wer das zu viel – oder zu wenig – findet, der soll froh sein, dass ich überhaupt was anhabe. Am Anfang hatte ich nämlich noch keine Texte. Da habe ich als Aktmodell gearbeitet – bin durch ganz Berlin gerannt, habe mich vor jedem Hobbymaler ausgezogen. Ein Wunder, dass ich überlebt habe. Später trug ich meine ersten Texte in Galerien vor – nackt. Im Vergleich dazu sind meine Outfits heute fast prüde.
Welche Rolle spielt Humor in deinem privaten Leben? Eine große. Selbstironie ist mir lieber als Selbstoptimierung. Wenn es mir schlecht geht, möchte ich nicht Mitleid – ich möchte, dass sich jemand über mein Leiden lustig macht. Mitleid ist parasitär. Und es ändert nichts. Die ultimative Situation ist ohnehin: Wir müssen alle sterben. Die Frechheit daran ist, dass wir es wissen. Aber unser Trostpreis heißt Humor. In jedem Lachen steckt ein bisschen dieses irre, trotzige Lachen angesichts des Todes. Nur wer den Tod fürchtet, lacht wenig – und bei denen sage ich immer: Obacht.
Was sind deine drei wichtigsten Werte? Liebe, Hoffnung, Glaubersalz. Wobei Hoffnung schwierig ist – das habe ich von Seneca gelernt. Hoffnung geht immer mit Furcht einher, und für Furcht bin ich nicht empfänglich. Beides ist zukunftsgerichtet – und ich kann nicht in die Zukunft sehen. Ich kann auch nicht zurück. Ich lebe tierisch im Jetzt. Ich kann weder hoffen noch bedauern. Manche finden das beneidenswert – ich finde es … praktikabel. Mit Nachteilen.
Wann kommen dir deine besten Ideen? Wenn ich sie zwinge. Der Musenkuss läuft bei mir nicht freiwillig. Ich hole ihn mir. Ich muss mich bewusst an den Schreibtisch setzen und mir sagen: Schreib, du Sau. Wenn ich das nicht tue, bin ich geistlos. Standby-Modus. Mein IQ dann im Minusbereich.
Was ist dein IQ? Ich weiß es nicht. Und es interessiert mich nicht. IQ, Gewicht, Cholesterin – Zahlen interessieren mich nicht. Ich bin ein Kind des Wortes. Und wo gezählt wird, wird nicht erzählt.
Wie bist du zum Kabarett gekommen? Ich bin – wie erstaunlich viele – ein gescheiterter Lehrer. Ein Klassenzimmer kann man nicht abdunkeln, man muss den Kindern in die Augen schauen. Das ist anstrengend. Wir, die wir von der Schule auf die Bühne gewechselt sind, wollten einfach stumpf geliebt werden – und das darf als Lehrer nicht die Priorität sein. Ich habe ein Jahr lang unterrichtet. Die Kinder, die bereit waren, mich zu lieben, habe ich verhätschelt. Die anderen gequält. Beides war unprofessionell.
Sind die Bühnenklamotten aus dem Zug nach Ulm wieder aufgetaucht?
Ja, danke der Nachfrage. Für alle, die es nicht mitbekommen haben: Mein gesamtes Bühnenoutfit war plötzlich weg. Ich musste in Trainingshose auftreten – was ein Erfolg für den Sport, aber ein Rückschlag für die Kunst war. Es war kein Diebstahl, sondern missglückte Hilfsbereitschaft. Jemand hat die Tasche mitgenommen, weil er dachte, sie sei vergessen worden. Und dann – offenbar seiner eigenen Hilfsbereitschaft überdrüssig – hat er sie in einen anderen Zug geworfen. Nach einer Woche war sie wieder da. Ich war erleichtert. Denn ich spiele jedes Programm zwei Jahre lang – ohne das Outfit je zu waschen. Die Unterwäsche darin hatte also… Sammlerwert.
Warst du als Jugendliche schon so eloquent?
Nicht durchgängig. Es gab viele Abende, an denen Kokoslikör mein Vokabular halbierte. Aber ich hatte sicher schon als Kind eine Neigung zur Überkompensation. Ich komme vom Land und hatte einen sehr originellen Dialekt, den in der Stadt niemand verstand – was mir peinlich war. Ich bin ein Kind der 90er, ich musste noch um Gehör kämpfen. Heute bestimmen schon Kleinkinder, was die Familie anzieht, isst und unternimmt. Damals musste man durch Lustigkeit Redezeit erschleichen. Und sobald ich begann zu floskeln, moralisieren oder langweilen – wurde ich aus dem Gespräch gebasst. Und das war gut so.
Warum so wenige Shows in Österreich? Kommst du mal in die Schweiz?
Ich frage mich das selbst – besonders wenn ich wieder in einem deutschen Backstage sitze, eine regionale Spezialität esse und denke: Wie lange dauert das Leiden noch? Wann darf ich zurück nach Österreich? Oder in die Schweiz? Bald! Das neue Programm wird massenkompatibler. Es heißt „Ich war mal wer“.
Haustiere?
Nein. Was Tiere betrifft, habe ich einen Grundsatz: Ist es – oder lass es. Ich zwinge kein Tier, mein Freund zu sein.
Was machst du nach den Auftritten?
Ich gehe ins Bett. Ich möchte danach kein Wort mehr sprechen. Ich bin dann wie ein Mann nach dem Orgasmus – beglückt, stumm, zur Seite gerollt.
Wie kann man Sie verblüffen?
Sehr leicht. Ich habe nur die Sprache – sonst nichts. Alles, was Menschen mit ihren Händen tun – sei es die Tonleiter spielen oder Kaugummiblasen machen – beeindruckt mich zutiefst.
Was ist das Schwierigste an deinem Job?
Die Schnellebigkeit. Tragische Ereignisse brauchen Zeit, um komisch zu werden. Nur deckt sich diese Zeit oft nicht mit dem Erinnerungsvermögen des Publikums. Und: Die Balance zwischen Publikumsbeschimpfung und Publikumsumarmung. Zwischen Bedeutungsschwere und Leichtigkeit. Zwischen Witz und Weisheit.
Schreibst du deine Programme selbst?
Ja. Ich kann keinen Knopf annähen – aber ich kann Texte weben. Alles ist von mir. Die Stoffe der Kleidung wähle ich auch selbst, aber genäht wird woanders. Geschminkt werde ich nur, wenn das Fernsehen es verlangt. Privat trage ich maximal Lippenstift – weil ich es sonst nicht kann. Wenn ich mich schminke, sieht es aus, als hätte man mir beim Paintball ins Gesicht geschossen.
Woher nimmst du deine ständig aktuellen Pointen? Du kannst ja nicht 20 Stunden am Tag arbeiten.
Leider nicht. Ich würde gern. Aber ich brauche viel Schlaf – verteilt auf viele kleine Nickerchen. Wenn ich wach bin, schreibe ich. Ich habe zum Glück keine Hobbys. Ab und zu gönne ich mir Phasen der Verliebtheit – aber eher als Vorwand, um Liebesbriefe zu schreiben. Kurz: Ich mache nichts im Leben, das sich nicht irgendwie verschriftlichen lässt. Sobald ich nicht schreibe, stürzt meine ganze Identität ein.
Was sagst du, wenn der Playboy anfragt?
Sie dürfen gern meinen Schritt ablichten – aber legen Sie bitte einen schwarzen Balken über die Neurodermitis.
Tauchgang oder Fallschirmsprung?
Weder noch. Ich vertraue der Evolution. Wenn die Natur gewollt hätte, dass ich mich unter Wasser oder in der Luft bewege, hätte sie mich dafür ausgestattet. Wenn ich einen Adrenalinkick brauche, gehe ich einfach aus dem Haus. Das zählt für mich als Fallschirmsprung.
Ist Zynismus bei dir angeboren oder ein Langzeitprojekt?
Weder noch. Ich bin kein Zyniker und kein Freund des Sarkasmus. Das mag manchmal in meinem Humor vorkommen, aber grundsätzlich ist mir das zu negativ. Zynismus wirkt auf mich wie der letzte Strohhalm vor der Depression. Ich bin kein Pessimist. Ich bin heiter hoffnungslos.
Was ist der betörendste Text, den du je gelesen hast?
Ich habe bei Rousseau eine schöne Formulierung gefunden – er sprach von Büchern, die man nur mit einer Hand liest. Implizit: Weil man die andere für sich selbst braucht. Solche Bücher lese ich gern mit einer Hand – zum Beispiel jene von Marquis de Sade. Das erste war „Justine oder die Vorteile des Lasters“. So hieß auch eines meiner Programme. Ich musste solche Bücher lesen – denn meine Eltern verweigerten das Internet. Während meine Klassenkameraden längst vor dem Bildschirm masturbierten, musste ich noch literarisch onanieren.
Warum bist du nach Deutschland gezogen?
Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Ich führe eine tierische Existenz – ohne große Reflexion. Davor war ich in Frankreich, davor in England – und in keinem Fall weiß ich, warum ich kam oder ging. Vielleicht verlasse ich ein Land, wenn sich zu viele Menschen in meinem Leben ansammeln. Zwei, meist. Denen gaukle ich dann meinen Tod vor – und wandere aus.
Darf ich ein Autogramm von dir haben?
Ja.
Was machst du am liebsten in deiner Freizeit?
Arbeiten.
Wie alt warst du, als du dich für deine Karriere entschieden hast?
Die Karriere hat sich für mich entschieden. Das war ein langsamer Prozess. Als Kind wollte ich Schokoladentesterin werden.
Kannst du ungestört einkaufen oder mit deinem Sohn auf den Spielplatz gehen?
Gott sei Dank nicht. Es kommen ein, zwei Menschen her und grüßen mich – das freut mich sehr. Sonst würde ich an meiner Existenz zweifeln. Mein Sohn wächst dadurch in einem sehr freundlichen Weltbild auf – in einem scheinbar dörflichen Leipzig, in dem ihn alle grüßen. Nur auf Selfies könnte ich verzichten. Dafür bin ich zu alttestamentarisch – ich hätte gerne ein Bilderverbot verhängt. Aber ich kann bekanntlich nicht nein sagen.
Was ist dein Lieblingsbuch?
Das Gesamtwerk von Nietzsche. Ich könnte mich nicht entscheiden – jeder Satz ist mir Hirte und Stab, in guten wie in schlechten Zeiten.
Vermissen Sie nie die steirische Heimat, die blunzenfetten Wirtshausdiskussionen?
Natürlich. Jeden Tag. Trotzdem bin ich froh, nicht mehr in Österreich zu wohnen. Denn jetzt, wenn ich heimkomme, freue ich mich über alles – die Landschaft, das Essen, den Dialekt. Diese Freude hätte ich nicht, wenn ich’s täglich hätte.
Wann kommt das dritte Buch? Arbeiten Sie an einem neuen?
Ob Sie wollen oder nicht – es wird kommen. Auch ein viertes, fünftes, sechstes. Aber das wird dauern. Die ersten zwei Bücher sind schnell entstanden – dank Lockdown und Kinderlosigkeit. Beides ist nicht mehr gegeben, was sehr schön ist. Aber Bücher schreiben geht gerade nicht.
Gibt es einen Witz, den du selbst nicht mehr hören kannst, aber alle lieben ihn?
Nein – eher umgekehrt. Es gibt Witze, die liebe ich, aber die kann sonst keiner mehr hören.
Lieber Tee oder Kaffee?
Tee. Mein Liebling ist – vermutlich falsch ausgesprochen – Lapsang Souchong. Ein geräucherter Tee, der riecht wie Speck. Wie mein Tabak: hellblauer Drum.
Hat sich deine Wahrnehmung Deutschlands verändert, seit du hier wohnst?
Nein – ich hatte vorher keine. Ich habe Deutschland nie bedacht, wusste nichts von Ost oder West. Ich dachte, das sei einfach Stolz auf Himmelsrichtungen. Ich habe es nachgeholt. Mittlerweile schaffe ich beim Einbürgerungstest-Simulator über 30 Prozent.
Was begeistert dich an Leipzig am meisten?
Das Völkerschlachtdenkmal. Da würde ich gern einziehen.
Lieblingsgericht? Kannst du kochen?
Karamellisierte Gelbschwanzmakrele – steht leider selten auf der Karte. Kochen kann ich zwei Dinge: Rehbraten und Bouillabaisse. Alles andere endet in geschmacklicher Zwölftonmusik.
Wann sieht man Sie wieder auf Sylt?
Bestimmt irgendwann. Aber vorher möchte ich noch auf die andere Trash-Insel: Mallorca. Im Bierkönig auftreten – das wäre mal was.
Was würde Erich Fromm über die heutige Zeit schreiben?
Dasselbe wie immer – er hat sich ja nie geirrt. Maschinen funktionieren wie Menschen, Menschen funktionieren wie Maschinen. Und das schrieb er noch ohne ChatGPT. Heute scheint es wirklich vom „Haben“ zum „Sein“ zu gehen – aber auch das „Sein“ ist nicht immer erleuchtet. Die narzisstischen Abgründe des Selbst sind tiefer geworden.
Wie bist du so authentisch geworden?
Ich liebe diese Frage. Sie widerspricht sich selbst. Authentizität wird oft verstanden als „sei einfach du selbst“. Ich aber halte es mit Nietzsche: „Werde, wer du bist.“ Das reicht – da braucht es keine Antwort.
Was hat Sie beim Schreiben Ihres neuen Programms „Ich war mal wer“ inspiriert?
Die Vorstellung, dass meine Karriere irgendwann endet – nicht durch Cancel Culture, sondern demütigender: durch die Logik des Marktes. Und diese Zeit danach habe ich mir jetzt schon auf der Bühne ausgemalt. Ohne Kritiker, ohne Angst, Publikum zu verlieren – eine künstlerische Freiheit, die ich mir vorweggenommen habe. Der Titel „Ich war mal wer“ war eigentlich für mein Comeback mit 90 gedacht – aber dann wäre mein Publikum ja schon tot, und der Witz verschenkt.
Haben Sie einen Lieblingsfilm?
„Das große Fressen“. So möchte ich aus der Welt gehen – mich eine Woche lang in eine Villa einschließen und zu Tode kopulieren und fressen. Sehr würdevoll. Weitere Favoriten: „Johanna von Orléans“, „Hannibal“, „Jurassic Park“.
Wie wichtig ist Leonard Cohen für dich?
Sehr. 2016 – als man versehentlich Bob Dylan den Literaturnobelpreis gab – habe ich laut aufgeschrien. Cohen ist der einzige Prominente, den ich je um ein Foto bat – streng genommen war es umgekehrt. Ich stand stundenlang vor dem Hotel, hatte mir eine Rede überlegt – und stotterte dann. Es war so peinlich, dass er mich irgendwann fragte, ob wir ein Foto machen wollen. Empfehlung: das Album The Book of Longing – Philip Glass vertont Cohens Gedichte. Der Prolog „I Can’t Make the Hills“ ist fantastisch. Ich entdeckte Cohen übrigens durch den Film Natural Born Killers – einer meiner Lieblingsfilme.
Was treibt dich an?
Ich weiß es nicht. Ich bin so getrieben, dass ich nie Zeit habe, mich umzudrehen und nachzusehen.
Welchen Duft trägst du?
Il Profumo „Ambra Aurea“. Enthält Ambra – eine Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen. Sie wird ausgeschieden – erbrochen oder hinten raus. Treibt dann an die Küste, Parfümeure sammeln es ein, ich schmiere es mir drauf. Trage ich aber selten – meist gar nichts. Das erleichtert die Partnerwahl: Wer mich riechen kann, darf bleiben.
Verlierst du auf der Bühne manchmal den Faden?
Nein. Ich arbeite lange an meinen Texten – und halte mich daran. Ich bin kein Improvisationskünstler. Publikumsgespräche überlasse ich anderen – aus Unvermögen und Rücksicht. Ich selbst würde als Zuschauer nie von der Bühne aus angesprochen werden wollen. Diese Interaktionen haben oft Knalleffekt, aber wenig Nährwert.
Wie hältst du dich fit?
Obacht – ich bin schlank, nicht fit. Ich war kürzlich im Radgeschäft, überzeugt, ich hätte an beiden Reifen einen Platten. Die waren in Ordnung – ich habe einfach keine Kraft in den Beinen. Die Arme gehen. Bauch wird nicht trainiert. Nur der Hintern – den muss ich nicht sehen.
Mit welcher historischen Person würdest du gerne streiten?
Streitgespräch? Nein – lieber Briefe schreiben. Nicht mit Goethe – zu viele Naturmetaphern. Nicht mit Kafka – der jammert zu viel. Aber mit Napoleon. Wir hätten uns sicher gut verstanden. Der mochte auch dreckige Frauen – schrieb Josephine: „Hör auf, dich zu waschen, ich komme heim.“ Ich auf Tour, er auf Feldzug – perfekt.
Was würden Sie retten, wenn Ihre Wohnung brennt?
Meinen Sohn – und der darf sich zwei Dinge aussuchen. Ich kann kaum etwas wegwerfen, bin aber für alles dankbar, was verloren geht. Ein Wohnungsbrand wäre eine Erleichterung. Bitte trotzdem kein Aufruf zur Brandstiftung!
Gibt es Themen, die du dir nicht zu behandeln traust?
Trauen ist das falsche Wort. Ich maße mir vieles nicht an. Pandemien, geopolitische Konflikte – da urteile ich nicht über das Ereignis, sondern über die Reaktion der Menschen. Tabus kenne ich nicht. Humor soll das Leben erleichtern, und das kennt keine Tabus. Aber als Zuschauerin bin ich zarter besaitet. Seit ich ein Kind habe, halte ich keine Witze mehr über Gewalt gegen Kinder aus. Auf der Bühne mache ich sie trotzdem – da bin ich gnadenlos.
Was sagst du zur heutigen Humorhysterie?
Die Leute sind abgestumpft gegenüber Leichenbildern – aber schreien bei einem falschen Pronomen. Oder wenn ich ein Popöchen zeige. Sie schalten um zum Tatort, um sich zu beruhigen – das verwirrt mich.
Was sagst du über Südtirol?
Wir würden es nehmen – aber uns fehlen die Waffen zur Annexion.
Schon mal echte Leipziger Gose probiert?
Hat gedauert, bis ich wusste, was das ist. Betrunkene Männer empfahlen es mir schmierlächelnd. Klang eher wie der Spitzname einer schwitzenden Stadtschlampe. Aber nein – es ist Bier. Und da bin ich raus. Ich trinke zum Essen: Wein. Und harten Schnaps.
Welche Frage darf man dir bei einem Interview nie stellen?
„Haben Sie gerade Ihren Eisprung?“ Fände ich deplatziert. Aber grundsätzlich: Fragen Sie, was Sie wollen. Besonders mag ich Fragen mit Welthaltigkeit. Zum Beispiel: „Wovor fürchten Sie sich mehr – vor der Dummheit der Masse oder vor der Intelligenz des Einzelnen?“ Antwort: Vor beidem – in Kombination. Intelligente Einzelne, die an die Dummheit der Masse appellieren – das ist gefährlich. Und dieses inflationäre „dumm“ nervt. Jeder nennt jeden dumm – weil man nicht einer Meinung ist. Dabei gibt es an den Schulen nur noch Hochbegabte. Und unter Erwachsenen nur noch Idioten. Das passt nicht.
Über welchen Kollegen lachst du am meisten?
Das kann ich nicht sagen – sonst werfen sich alle anderen vor die U-Bahn. Aber ja, es gibt einen Favoriten.
Warum sieht man Sie nie in Leipzig?
Weil ich privat angezogen bin. Undercover. Kapuzenpulli, Jogginghose – so erkennt mich niemand. Ich erinnere mich an eine Frau beim Hotelfrühstück in Rostock. Sie füllte den Omelettrog auf, kam zu mir, flüsterte: „Sie haben sich gut verkleidet.“ Da wusste ich: Die hat’s verstanden. Die Trainingshose bin nicht ich. Die Bühnenfigur – das ist mein wahres Ich.
Einen schönen Sommer. Tata. 🌞