
Von Kenneth Schmitt | für EraOfLight.com
Elara lebte in Elysium, einer Stadt, die vom Schatten der kollektiven Ängste ihrer Bewohner umhüllt war. Jeder Bürger trug eine unsichtbare Last – einen „Schatten“, wie sie ihn nannten – ein energetisches Knäuel ihrer tiefsten, unausgesprochenen, begrenzenden Überzeugungen. Elara’s Schatten war ein schimmernder, durchscheinender Schleier, der Zweifel an ihrem künstlerischen Talent zuflüsterte und sie davon überzeugte, dass ihre Gemälde für die Vergessenheit bestimmt seien. Sie sehnte sich danach, mit den leuchtenden Farben zu malen, die sie in ihren Träumen sah, doch ihre Hand stockte stets, geführt von der fahlen Palette ihres Selbstzweifels.
Der weise Älteste der Stadt, Kahu Ipo, sprach oft vom „Herzenslied“, einer inneren Melodie, die imstande sei, die Schatten zu zerschmettern. Er lehrte, dass die Angst der wahre Architekt ihrer Begrenzungen sei und dass ihre inneren Empfindungen sowie die Qualitäten ihrer Gedanken und Gefühle der Schlüssel seien, um das wahre Potenzial eines Menschen freizusetzen. Elara, wie so viele andere, hörte zwar zu, doch sie tat sich schwer, seine Worte wirklich zu verinnerlichen. Ihr Schatten, der stets gegenwärtig war, verstärkte die Überzeugung, dass solche Weisheit für andere bestimmt sei – nicht aber für eine mittelmäßige Künstlerin wie sie.
Eines Tages näherte sich Elara ein junger Junge. Sein Schatten war klein und kaum sichtbar. Sein Name war Myhe. Er bat sie, ein Porträt seines Haustieres zu malen – eines lebendigen, irisierend schillernden Vogels. Als Elara begann, ihr Pinsel in die Farben tauchte, verdichtete sich ihr Schatten, flüsterte seine gewohnten Kritiken. Doch Myhe, mit seinem unschuldigen, unerschütterlichen Glauben an sie, strahlte reine, hochfrequente Freude aus. Seine Gegenwart bildete einen scharfen Kontrast zu ihrem inneren Monolog. Elara bemerkte, dass ihr Schatten dünner zu werden schien, seine Einflüsterungen weniger mächtig, wenn sie sich auf Myhes echte Begeisterung konzentrierte. In ihrem Inneren hallten Kahu Ipos Worte wider:
„Wenn wir über jemanden urteilen, dann sind wir dieser Mensch in unserem erweiterten Bewusstsein – und wir wenden dieses Urteil unbewusst auf uns selbst an.“
Elara erkannte, dass sie die ganze Zeit über sich selbst verurteilt hatte, ihre eigenen Begrenzungen aufrechterhielt. Sie war so fixiert auf ihre vermeintlichen Schwächen, dass sie dem natürlichen Fluss der Kreativität keinen Raum gelassen hatte, sich auszudrücken. Sie beschloss, Kahu Ipos Weisheit auf sich selbst anzuwenden. Anstatt ihre Pinselstriche zu verurteilen, begann sie, sie mit Mitgefühl zu erfüllen – mit derselben Sanftheit und Akzeptanz, die sie einem Kind entgegengebracht hätte, das sich abmühte. Während sie malte, verlagerte sie ihre Gedanken absichtlich weg von Selbstkritik hin zu einer Wertschätzung des reinen Schöpfungsaktes. Sie konzentrierte sich auf die leuchtenden Farben von Myhes Vogel und erlaubte ihrer Intuition, ihre Hand zu führen.
Je mehr sie diesen positiven, hochfrequenten Zustand umarmte, desto mehr wich ihr Schatten zurück. Er verschwand nicht völlig, doch sein Griff lockerte sich, seine Flüstern löste sich in eine ferne Ahnung auf. Ihre Pinselstriche wurden mutiger, die Farben auf der Leinwand spiegelten die Lebendigkeit ihrer inneren Vision wider. Als das Porträt vollendet war, war es ein Meisterwerk. Der Vogel schien von der Leinwand zu springen, seine Federn schimmerten in einem überirdischen Licht. Myhe schnappte nach Luft, seine Augen weiteten sich voller Staunen. Elara blickte auf ihr Gemälde, dann auf ihre Hände – und schließlich auf den blassen, fast durchsichtigen Hauch, der einst ihr bedrückender Schatten gewesen war.
In diesem Moment verstand sie, dass sich ihre äußere Erfahrung tatsächlich gewandelt hatte – nicht, weil sich ihre Umgebung verändert hatte, sondern weil ihre kraftvoll gelenkten Absichten, im Einklang mit dem Herzenslied ihres Seins, ihre innere Realität verwandelt hatten. Sie war nicht länger nur eine Malerin; sie war eine Alchemistin ihres eigenen Daseins, fähig, Zweifel in funkelnde Schöpfung zu verwandeln – einen mitfühlenden Pinselstrich nach dem anderen.
Elysium, so erkannte sie, war keine Stadt der Schatten, sondern eine Leinwand, die auf ihre wahren Farben wartete – darauf wartete, dass jeder einzelne Bewohner sein eigener Alchemist wurde.
Autor: Kenneth Schmitt — ken@KennethSchmitt.com
