Der Moment ist mir heilig. Egal, was er birgt. Anja Reiche

Ich bin da, wo ich bin. Es fĂŒhlt sich an, wie es sich anfĂŒhlt und das ist gerade mit viel Traurigkeit verbunden, mit tatsĂ€chlicher Ohnmacht, mit einem Schmerz, der aus der gegenwĂ€rtigen Situation rĂŒhrt. Ganz echt aus der Gegenwart. Es sind also insgesamt keine erhebenden GefĂŒhle.

Wenn ich mich frage, ob ich es anders haben will, ob etwas anders sein sollte, ob ich etwas verĂ€ndern mĂŒsste, kommt direkt ein klares Nein. Es ist, wie es ist. Und es wird so lange so sein, bis es anders sein wird. Auch wenn ich mich damit mitteile, möchte ich keine Lösung, keine BegrĂŒndung, keinen Vorteil davon hören oder fĂŒr was es gut ist. Ich will es pur und roh nehmen und anerkennen, wie es ist. Es ganz verkörpern und erfahren, was DAS gerade alles fĂŒr mich bedeutet. Was es fĂŒr mich heißt, dass der andere so da ist, wie er da ist. Wie ich mich damit fĂŒhle, was damit möglich oder eben unmöglich ist. Ich nehme meine BedĂŒrfnisse darin war, die gerade nicht erfĂŒllt werden und fĂŒhle wieder, wie sich das fĂŒr mich anfĂŒhlt.

Meine Erfahrung ist, dass es auch als Kind nicht immer unbedingt eine VerĂ€nderung gebraucht hĂ€tte. Was meiner Kleinen im Nachhinein immer am meisten hilft, ist die Anerkennung dessen, was das alles fĂŒr sie bedeutet hat und damit gesehen und bezeugt werden, voll erfasst und mitbekommen werden. Von mir als Erwachsene jetzt. Das Schlimmste war meistens, darin allein gewesen zu sein und nicht nur, was die GefĂŒhle angeht, die ein „damit gehalten sein“ gebraucht hĂ€tten, sondern auch mit der Wahrnehmung alleine gewesen zu sein und darin nicht bestĂ€tigt zu werden. Eine scheußliche, grausame Version von „Ich sehe was, was du nicht siehst“.

Auch heute hat es noch einen Schmerz, wenn meine Wahrnehmung des Wahrzunehmenden als Idee oder Konstrukt betitelt werden. Mein tiefes FĂŒhlen und Sehen als Theorie abgestempelt und gesagt wird, dass das ja nun wirklich keiner wissen kann. Das tut immer wieder weh und wird dem, was es tatsĂ€chlich ist, so gar nicht gerecht. NatĂŒrlich braucht die Wahrheit des Moments grundsĂ€tzlich keinen verstehenden EmpfĂ€nger und dennoch ist es unnatĂŒrlich, damit alleine zu sein und jedes Mal eine Art Schock, ein Stich, ein Schmerz, der fĂŒr meine Begriffe eine gesunde Reaktion auf Abgetrenntheit ist.

Aber ich schweife ab und irgendwie doch nicht. TatsĂ€chlich merke ich gerade wie gut es dazu passt. Denn wieder geht es darum, eine Erfahrung ganz zu machen, mit allen GefĂŒhlen, die dieser Moment, der Umstand gerade fĂŒr mich bedeuten. Dieses volle und ganze „es ist, wie es ist“.

Frei von Schuld. Es ist Ursache und Wirkung. Den Moment anzuerkennen und ganz zu haben, es tatsĂ€chlich ownen, mir zu eigen machen, fĂŒhlt sich an wie eine Segnung, etwas Heiliges. Es wegreden oder beschwichtigen ist in meinem Empfinden nach wie SchĂ€ndung dessen, was ist.

Der Moment ist mir heilig. Egal, was er birgt. Es gibt nĂ€mlich auch schon gar nichts anderes, als den Moment. Er ist der wert- und kraftvollste „Aufenthaltsort“ und ich schĂ€tze jeden, der mit mir genau darin da sein mag und nirgends anders hin will.

Da, im Moment, in diesem Jetzt, liegt alle Lebenskraft gebĂŒndelt und bringt etwas zum Ausdruck, worin ich mich erfahren kann und will. Dieses satte GefĂŒhl von voll und ganz darin sein – ich liebe es tatsĂ€chlich. Nicht wissen, wieso, weshalb, warum, nur dass es ist, wie es ist und ich bin DA. Vollkontakt mit dem Jetzt. Amen.

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