Magda Wimmer, Der Ohrwurm

Wer jemals schon von einem solchen Tier in Besitz genommen wurde, der weiss auch, wie nagend und zugleich wie berauschend es immer wieder sein kann:

  • dieses sägende und ständig wiederkehrende Geräusch im Ohr
  • sein eindringliches Verhalten
  • und die damit verbundene ewige Wiederholung des Gleichen
  • bis hin zum Überdruss und bis man “es” nicht mehr hören kann

Früher einmal geschah es, dass man von einem solchen Ohrwurm einfach überfallen wurde – unerwartet, spontan und hautnah. Auf dieselbe Weise verabschiedete er sich dann irgendwann auch wieder. Anders als Mehl- und Regenwürmer war ein solcher Ohrwurm niemals zu ergreifen und willentlich zu entfernen. Doch man hatte Spass miteinander – bis zu einem gewissen Grad zumindest.

Heute aber gibt es originelle Ohrwurm-Designer, die alles versuchen, um diesbezüglich kreativ zu sein oder zumindest so zu erscheinen. Sie geben diesen Würmlein nicht nur Form und Inhalt vor, sondern auch noch die Zielrichtung, die Dauer, die Höhe des Tones… und zwar je schriller, desto länger. Technisch sind sie deshalb nun einfach perfekt und es wird sich keiner mehr über einen Mangel beschweren können.

Manche mögen einwenden, dass dieser Wurm nun immer mehr zur Plage wird, vor allem, weil er zunehmend massenhaft auftritt. Das mag tatsächlich ärgerlich sein. Doch hängt es vielleicht damit zusammen, dass ernstere Zeiten angebrochen sind – solche, in denen Spass und hautnaher Kontakt keinen Platz mehr haben können, weil uns das nämlich bis in die letzte Faser unseres Daseins gefährden würde. Der Ohrwurm als Alleinunterhalter droht damit eventuell seinen Platz zu verlieren. Genau das aber müssen wir in Kauf nehmen, wenn wir “gut durch diese harten Zeiten kommen” wollen.

Andererseits müssen wir wohl verstehen, dass Ohrwürmer der neuen Art ganz und gar zu unserem Schutz geschaffen wurden. Grosse Armeen von ihnen stehen deshalb nun bereit… und sie werden rechtzeitig losgeschickt, wohin auch immer und wann immer das allsehende Auge unserer ordnenden Macht es für notwendig erachtet. Diese Macht nämlich hat erkannt, dass ein solcher Wurm sehr ideal sein wird, um ihn einem anderen listigen Kleinstwesen hinterher zu schicken: einem, das ähnlich unberechenbar ist, wie der Wurm einst selber; einem, das einfach da ist und tut, als würde die Welt ihm gehören; einem, das alle gefährdet und niemandem gehorcht. Man hält sonst von der Homöopathie nichts, aber in diesem Fall kann man Gleiches nur mit Gleichem bekämpfen – so die Befehlshaber der Wurmheere vor dem Angriff auf diese Killerhorde.

Um bei uns keinen Verdacht aufkommen zu lassen, nennt man die Würmer auch weiterhin Ohrwürmer, wobei unter ihnen wohl keiner mehr fröhlich pfeifen oder gar ein Tanzbein schwingen wird. Dafür müssen wir jedoch Verständnis aufbringen, denn schliesslich heisst es seit Tagen aus der Augen-Macht-Zentrale: “Die Lage ist ernst!”. Da nun aber treten die neuen Design-Ohrwürmer in Aktion. Ihre Aufgabe ist es, Sätze wie diese so lange zu wiederholen, bis es keinen Widerspruch mehr gibt. Immer und immer wieder. Es gilt dabei, alles so lange in unsere Köpfe zu hämmern, bis die Masse, die sich darin befindet, weich geklopft ist. Und das ist nur ein kleines Beispiel für den grossen magischen Plan. Wir dürfen gespannt sein.

Die vorher genannte “Zentrale” ist damit auch im rechtlichen Sinne komplett “aus dem Schneider”, d.h. keiner würde mehr etwas beanstanden können. Früher hätten böse Zungen bei der Verbreitung eines solchen Satzes vielleicht das Wort “Propaganda” in den Mund genommen. So aber heisst es: “Achtung, Ohrwurm-Armee im Anflug”. Und damit können wir alle “gut und gerne leben”.

Gut dabei ist auch, dass nun längst nicht mehr alles so unberechenbar ist wie vorher. Seit Monaten hat man den Entwurf und den Einsatz einer solchen Armee erprobt und geprobt. Sie ist deshalb bereits ziemlich perfektioniert und bald schon absolut zielsicher und fehlerfrei.

Unsere Aufgabe wird es sein, uns mit dieser neuen Art von Ohrwürmern anzufreunden. Vielleicht werden wir dabei entdecken, dass auch sie ziemlich orignell und unterhaltsam sind. Und Freundschaften aller Art sind in Zeiten wie diesen unbezahlbar. Sie werden uns auch so schnell nicht mehr verlassen, denn sie haben eine Aufgabe. Früher haben sie uns legendär aus dem Alltagstrott herausgeholt, um uns anderweitig einzulullen. Jetzt werden sie uns einlullen, um jeglichen Alltagstrott zu verhindern.

Ein Ohrwurm-Chor wird die Ohrwurm-Armee wenn notwendig verstärken und wir haben dabei die Wahl, mitzusingen oder eben nicht. Manche können nicht singen und anderen ist es bereits vergangen. Aber mit dem neuen Masken-Abstands-Desinfektions-Refrain dieses Chores sollten wir langsam wieder Sicherheit gewinnen und dann zurückkehren können in eine völlig neue Normalitätsrealität. Das ist sein Ziel und je früher wir uns ihm anschliessen, desto besser für uns. Wir ersparen uns dadurch nämlich einige Unannehmlichkeiten – so die Ohrwurm-Designer-Zentrale.

Wir hatten das Glück, den zentralen Machern ein wenig über die Schulter schauen zu können, um zu erfahren, was denn so an Ohrwurm-Knüllern geplant sei. Da zeigte sich jedoch zunächst ein kleines Problem, nämlich dass die neuesten Kompositionen bereits hinausposaunt werden, bevor die zuständigen Heere und Chöre überall angekommen sind. Man feilt deshalb noch an einer höheren Verschwiegenheit und damit Zuverlässigkeit der kleinen Tiere, denn die anderen sind sowieso bereits ausser Rand und Band geraten.

Wie das geschehen konnte, trotz des horrenden Aufwandes und der unerbittlichen Schutzmassnahmen, bleibt selbstverständlich ungeklärt. Schliesslich haben wir es hier mit einer unglaublichen Verseuchung zu tun, die auch an der obersten Zentrale nicht spurlos vorbeigeht. Ein Aufschrei ging deshalb letztens von ihr hinaus in die Welt, der hoffentlich augenblicklich erhört werden wird: “Eine Schockwelle” habe sich in Bewegung gesetzt, hiess es mit gemimtem Entsetzen.

Davon zutiefst getroffen zeigte sich der nachbarliche Ministerpräsident. Zum Glück war gerade unser oberster Chef bei ihm zu Besuch und so konnten sie einander Aug in Auge direkt beistehen und nach Auswegen aus diesen schweren Zeiten suchen. Gut, dass es noch keine Augenmasken gibt. Währenddessen haben die hiesigen Ohrwurm-Heere hierzulande ordentlich trainiert… um nämlich das schultern zu können, was nach der Rückkehr ihres obersten Befehlshabers auf sie zukommen würde. Seither aber sind sie im Dauereinsatz und deshalb kaum zu beneiden.

Das Ergebnis des hohen Staatsbesuches hat freilich unsere schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertroffen. Dank des konzertierten Einsatzes der Ohrwurm-Chöre und –Heere aber waren wir schnell im Bilde. Und das ist notwendig bei soviel Gefahr, die da gerade über unseren Horizont heraufzieht. Nicht nur über unseren jedoch, sondern auch über den der vielen anderen geplagten Länder. Deshalb hat die nachbarliche Kollegin unseres obersten Chefs zunächst das Wort ergriffen und ergriffen waren wohl auch ihre Untertanen, als sie mit besorgter Stimme sagte: “Bleiben Sie wenn immer möglich zu Hause”, denn das Land sei jetzt “in einer sehr ernsten Phase der Pandemie”.

Gesagt, getan… hat dann auch unser oberster Ohrwurm-Verbreiter das Wort ergriffen und verkündet: “Wir müssen unsere Kontakte reduzieren”. Um die Härte ein wenig abzufedern, zeigt man sich verständnisvoll ob der “Gefolgsamsmüdigkeit” und weil man jetzt viele Opfer bringen müsse. Wären wir nicht in der Vergangenheit genau dafür schon abgerichtet worden, könnten wir damit vermutlich wenig anfangen. Man könne aber die Menschen verstehen, heisst es weiter. Es ist schön zu wissen, dass es noch so viele einfühlsame Politiker gibt.

Zu diesen beiden Hauptdarstellern gesellt sich hin und wieder auch ein gewisser Herr “Nicht-mehr-ganz-bei Drost”-en und er gibt uns Hinweise auf Sinn und Ziel der ganzen Übung. Ob er das immer ganz gewollt macht, kann man von seinen Lippen schwerlich ablesen, da er sie hinter einer Maske versteckt. Jedenfalls wissen wir durch ihn, dass die “strikten Massnahmen” auch nach einer Impfung aufrecht bleiben werden und dass wir uns zu Weihnachten, falls dann überhaupt noch Besuche möglich sind, in Vorquarantäne begeben sollten… um andere zu schützen. Wie freundlich von ihm, uns solchermassen vor den Gefahren dieses Festes zu warnen.

Sodann lässt man den Ohrwurm-Chor einsetzen, der sich aus all dem einen Reim macht und uns diesen als Refrain einfach einhämmert, bis wir ihn verinnerlicht haben – auch wenn uns dabei ziemlich übel wird. Früher hätte man einen solchen Chor als “gleichgeschaltet” bezeichnet. Doch wir leben in modernen Zeiten, in denen es solche Dinge zum Glück nicht mehr gibt.

Damit das von all diesen Dingen zutiefst getroffene Volk ein wenig das Gefühl bekommt, dass es auch selbst einen Betrag leisten kann, spielt man ihm die Verantwortung für das Geschehen zurück, was dann im Klartext heisst: Wenn etwas schief geht (und wir wissen heute schon, dass es so sein wird, denn wir arbeiten genau darauf hin), dann seid ihr schuld daran.

Und so geht es nun länder- und weltumgreifend auf und ab. Ohne diese gut aufgestellten Armeen und Chöre würde keiner von uns mehr wissen, wie diese Sisyphos-Arbeit bewältigt werden kann, vor die wir jetzt alle gestellt sind – ob wir wollen oder nicht. Auch Sisyphos musste einst erkennen: was immer ich mache, der Stein, den ich den Berg hinaufrolle – er kommt wieder herunter. Heisst übertragen: Was immer wir machen, es wird nie genug sein. Selbst wenn wir die Idiotenmasken Tag und Nacht auf-hätten, wenn wir den Abstand zu anderen auf hundert Meter erweitern und wenn wir mehrmals täglich in Desinfektionsflüssigkeit baden würden… es wäre nie genug.

Wie Horrorclowns treten sie dann vor die Kamera und sie lösen dabei einen Ohrwurm-Auftritt nach dem anderen aus… und zwar, um uns zu verkünden: Es muss (zur Strafe) leider wieder eine Maßnahme erlassen werden. Wir appelliere daher an Sie, dass… Appelle sind die neuen Befehle. Meist dauert es dann auch nicht lange, bis ein Zuwiderhandeln geahndet und bestraft wird.

Mit einer ungeheuer subtilen Ohrwurm-Strategie wirft man den Menschen nun ins Gemüt, wie unverantwortlich und unsozial es ist, wenn man nicht gehorcht. Denn “wir brauchen wieder eine Teamstimmung in der Bevölkerung, wie im Frühling” (als wir euch das erste Mal brutal unterworfen haben – was freilich nur als stummer Refrain im Hintergrund läuft).

Empathische, also einfühlsame, Menschen seien jene – hiess es in einem kürzlich verbreiteten Ohrwurm-Schlager – die sich an “die Regeln” halten. Da viele das noch immer nicht begriffen haben, werden jetzt wohl Verschärfungen kommen müssen. Ansteckungen gäbe es nämlich vor allem im privaten Bereich. Endlich haben sie das wahre Problem entdeckt! Wir sind erleichtert.

In Kanada ist man dabei bereits so weit fortgeschritten, dass man flächendeckend Quarantänelager errichtet (früher hatten sie einen anderen Namen), in die man alle stecken kann, die Gefährder und Super-spreader sind. Vermutlich werden dazu bald auch wieder Kinder auserkoren werden. “Wie es euch gefällt” eben, würde Shakespeare sagen.

Apropos Horrorclowns und Halloween: Interessanterweise findet eine US-Präsidentenwahl immer gleich nach Halloween statt. Das ist jener Zeitpunkt im Jahreskreis, von dem an die Dunkelmacht wieder das Szepter übernimmt. Vermutlich ist diese Gleichzeitigkeit aber reiner Zufall… Abgesehen davon, dass genau diese Macht dort lange schon und das ganze Jahr über gewaltet hat und dass sie jetzt noch einmal versucht, genau an diese Allmacht zu kommen.

Eigenartige Vorfälle gab es dort auch in den letzten Wochen, vor allem im Zusammenhang mit dem (angeblichen) Hinscheiden jener obersten Richterin, deren energetische Natur weniger menschlich war, als so mancher es sich vorstellen kann. Das für sie abgezogene Ritual hat diese Vermutung nur noch bestätigt. Der Präsident kam wegen Corona dann ins Krankenhaus und das Begräbnis entfiel – wohl um zu vermeiden, dass die Öffentlichkeit dabei zusieht, wie man noch einmal das “Tor zur Hölle” zu öffnen versucht. Bei solchen Dingen verstummt natürlich der Ohrwurm-Chor. Er hat andere Aufgaben und ist alleine dafür abgerichtet worden. Er kennt auch nur die Notenwerte null und eins und eins und null – die Logik der technischen Matrix.

Diese Art von Ohrwürmer haben den Vorteil, dass man sie sowohl lokal als auch global jederzeit und über Raum und Zeit hinweg einsetzen kann. Da uns bisher die angedrohte Killerhorde kaum gekratzt hat, sind wir aber froh, dass die Ohrwurm-Soldaten uns immer wieder eindringlich daran erinnern, wie gefährlich es sein könnte… wenn wir ihren Aufforderungen nicht gehorchen würden.

Bevor wir uns nun dem Chorproben-Plan für die kommenden Wochen sowie einigen herausragenden Heeresübungen aus der Ohrwurm-Kaserne zuwenden, sollten wir uns noch einmal klar vor Augen führen, was für eine geniale Weiterführung diese Designer-Würmer sind … ganz im Gegensatz zum “gemeinen Ohrwurm”, der als Insekt das Fliegen verlernt hat und seither erd-gebunden uns hin und wieder über den Weg kriecht und den einen oder anderen vielleicht an-ekelt. Die Neuen aber sind (wie die neuesten Designer-Masken) steril, vielfältig, kunterbunt, welt-umfassend, alles-durchdringend und unwiderstehlich. Wir dürfen deshalb auch gespannt sein, was sie so alles in ihrem Repertoir haben:

  1. Das Allerseelenkonzert im Vatikan, normalerweise ein handfestes Kirchen-Requiem, wird heuer erstmals ersetzt durch ein Ohrwurm-Solisten-Konzert für die Armen, vor allem die “pharmazeutisch Armen”, wie der Papst neulich höchst-selber betonte. Man könne es deshalb nicht zulassen, dass die Reichen mit den zukünftigen Impfstoffen zuerst geimpft werden würden. Nein, diese müssen universell sein und für alle zur Verfügung stehen. Hoch-gelobt sei sein jesuitisch-überirdisches Kompositionstalent. Es würde natürlich keiner auf die Idee kommen, dass man die Armen hier wieder einmal als Versuchskaninchen verwendet will – jene, welche die Kirche sich schon so lange als Fundament hält, um darauf ihren dunklen Kult abzuziehen.
  2. Parallel dazu und kurz zuvor wird die allmächtige UNO mit ihren Unter-Organisationen (wozu auch die WHO gehört) erneut eine Halloween-Übung durchführen, bei der eine Geister- und Horror-Show die nächste ablösen wird. Eine paramilitärische Spezialeinheit von extra dafür abgestellten Ohrwurm-Piloten wird in ihrer Flugshow das Agenda-Programm 2021 gegen ein neues austauschen, das dann bis 2030 reichen und eine lückenlose Fortsetzung ermöglichen sollte. Damit wird auch dem bedrohlichen und feindlichen Winzlingsheer ermöglicht, in eine neue Form zu mutieren und so eine goldene Ära zu seiner Bekämpfung einläuten. Die Erleichterung wird gross sein, denn die Mikrobedrohung aus dem Jahr 2019 wird langsam zäh wie ein Kaugummi.
  3. Zum Österreichischen Nationalfeiertag morgen in einer Woche ist ein spezieller Jodelauftritt der nationalen Sängerknaben gemeinsam mit den Ohrwurm-Fallschirmjägern der ersten Kompanie links vorne geplant… Sie haben aber noch ein paar harte Tage vor sich, denn immer wieder tauchen im Lande rechte Wirrköpfe auf, von denen man weiss, dass sie infiziert sind, die sich aber nicht testen lassen wollen. Dann wiederum sind da solche, die die Realität verleugnen, indem sie einfach auf ihren Feier- und Lebensrechten bestehen und ihr Denken nicht einschalten, obwohl sie das könnten – so ein Redakteuren-Ohrwurm-Chef. Sobald dann aber das neuartige Jodeln das Land der Hämmer erfüllt, wird es ruhig werden hier. Darauf können wir uns verlassen, sagen sie.
  4. Ein Techno-Konzert aus der app-Werkstatt des Obergott-Konzerns wird im Voraus bereits als Adventkonzert beworben. Es wird ein interaktives Konzert werden und damit für uns alle ein besonderes Erlebnis. Bereit zu halten seien Handys oder sonstige Geräte dieser Art… Es bedarf dann nur eines kurzen Abgleichs all unserer Daten, damit zukünftig alles in orchestrierten Bahnen laufen kann. Die Kalendertürchen 1 bis 24 sollten ausreichen, um bis Weihnachten das grosse Finale zu erreichen, in das wir dann selbstverständlich einstimmen dürfen. Es braucht schliesslich nur mehr ein einziger Knopf gedrückt zu werden – und schon sind wir alle dabei, kurz und schmerzlos. Der österreichischer Beitrag dazu ist heute brandaktuell eingetroffen. Es wurde verlautbart, dass dem e-Impfpass nun nichts mehr im Wege stünde. Die Komponisten werden jetzt versuchen, diesen Beitrag als Counter-Tenor-Stimme in das Gesamtwerk einzuflechten.
  5. Als Santa tritt heuer ein gewisser “Billy, der Grosse” auf. Statt “Rudolph, the red-nosed Reindeer” wird er die Single “Gates to Heaven” auflegen. Diese Show ist einmalig und es wird keine Rückkehr geben. Tickets werden jetzt bereits gratis ausgegeben. Rudolph hat damit ausgedient, denn es wäre undenkbar, ein rotnasiges, schnupfendes Schlittentier unter den gegebenen Umständen die Weihnachtspakete zu den Menschen bringen zu lassen.

Ergänzend zu diesem Programm gibt es noch tausende Unterpunkte, die jedoch aus Gründen der Diskretion nicht angeführt werden können. Es sei notwendig, genügend Raum zu lassen für Überraschungseffekte, hiess es aus den Proberäumen und Hinterbühnen der neuen alten Macht. Anbetrachts der momentan schwierigen Weltlage sind auch Änderungen im Programm jederzeit möglich und wir sollten darüber nicht ungehalten sein. Wichtig ist, dass wir in jeder freien Minute dem Panik-Orchester lauschen, das stets und überall abrufbar ist. Damit bleiben wir am Laufenden und werden langsam verstehen, warum geschieht, was geschieht. Mehr ist auch nicht notwendig.

Eine zukünftige Millionenshow und sonstige TV-Quiz-Sendungen werden überwiegend Fragen zu “den Fällen”, “den Infizierten” sowie “den mit oder am Virus Verstorbenen” beinhalten. Vor allem aber sollten die Teilnehmer immer auf die Gretchenfrage gefasst sein, nämlich “Du, wie hältst du’s mit der Maske?”. Bei falschen Antworten kann es durchaus sein, dass man mal schnell die Faust im Nacken hat – oder neuerlich auch im Gesicht. Darum: “Wehret den Anfängen, indem ihr den neuartigen Ohrwürmern lauscht und ihren Appellen gehorcht. Dann kann euch nichts passieren!”.

Viel ist in Bewegung und das obige Programm ist überaus flächen-deckend. Das Entscheidende bei all dem aber sei, so auch unser Ohrwurm-Kommandant, “dass die Bevölkerung mitmacht”. Wir haben uns deshalb entschieden, ihn heuer als Christkind auftreten zu lassen. Mit seiner lieben und überaus freundlichen Kinderstimme und zudem absolut perfekt im vorgegebenen Ohrwurm-Sprech, wirkt er wie der einstige Kinderstar Heintje, der sich mit seinem Ohrwurm “Maaaama” in die Herzen der Menschen sang. Vielleicht aber wird er uns auch dessen Lied “Ich bau dir ein Schloss, so wie im Märchen” singen, denn das wird es sein, was uns die Zeit bis zum Jahresende durchstehen lässt. Wir lieben sowieso seine Märchen, besonders jenes vom Wolf und den Millionen Schafen…

Da aber ist demnächst auch Vorsicht geboten, denn ein Schreiberling einer grossen Tageszeitung hat unlängst klar gemacht, dass Märchen, Sagen und Mythen dasselbe wie die heutigen fake-news sind. Wo kämen wir denn auch hin, wenn Leute noch an Märchen glauben – das wären dann wohl auch dieselben, die noch ans Christkind glauben! Und damit sollte nun aufgeräumt werden. Ein Kehraus-Ohrwurm-Kommando wird diese Aufgabe bis zum Jahreswechsel durchführen… und der heurige Christkind-Darsteller wird nächstes Jahr sowieso eine ganz neuartige Rolle bekommen.

Sämtliche Nostalgiker könnten zum Zeitpunkt des Jahreswechsels ein allerletztes Mal ihr “Alle Jahre wieder” trällern. Denn damit wird es nun wohl für immer vorbei sein. Das ist gut so… und die neuen Ohrwurm-Chöre werden dann unseren Äther füllen. Die neuartigen Ohrwurm-Heere aber werden viel Arbeit haben mit dem gründlichen Zertrümmern all dessen, was rückständige und altmodische Menschen bisher für das Leben gehalten haben. Sie hatten keine Ahnung und werden alle nun eines Besseren belehrt werden. Wiederum können wir nur – im Namen dieser neuen und dienst-befliessenen Kreaturen – an Sie appellieren: “Bleiben Sie ruhig, hören Sie zu und tun Sie, was von Ihnen erwartet wird. Nur so bleiben ihnen Nachteile und Unannehmlichkeiten erspart!”.

* * *

Anbetrachts all dieser Neuerungen könnten wir fast schon ein wenig sentimental werden und Sehnsucht bekommen nach diesem kleinen Tier, das einst immer wieder “in dir und mir” sass und uns schmeichelte mit Liedern aus Grossmutter’s Zeiten und anderer Lieblingsmusik.

Oft hat es uns eine Welt herbeigezaubert, die im Alltag keinen Platz mehr fand. Vielleicht sollten wir es wieder einladen, uns einen Floh ins Ohr zu setzen: eine herz-erwärmende Melodie, die längst vergangene Zeiten mit heute verbindet. Denn momentan ist es gerade dieses Verbunden-Sein, das durch Heere von künstlichen Ohrwürmern abhanden zu kommen droht.

Und man versucht uns dabei auch zu verheimlichen, dass ein einziger alt-erwürdiger Ohrwurm tausendmal stärker ist, als sie alle zusammen!

Copyright: Magda Wimmer – https://inner-resonance.net

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