Buchvorstellung Christa Mulack: „Natürlich weiblich: die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat“

Frauensolidarität

Eine pensionierte Kindergartenleiterin eines öffentlichen Kindergartens schreibt in einem Kommentar auf facebook darüber, wie sie die Auswirkungen des patriarchalen Systems im Rahmen ihrer Tätigkeit erlebt hat. Eine Waldorf-Kindergärtnerin antwortet ihr dazu, dass die Gestaltung der Gruppe in ihrer Verantwortung läge und es „verantwortungslos und bequem sei, sich auf das System rauszureden“.

Eine in einem großen Krankenhaus tätige Hebamme schildert in einem Kommentar, dass Hausgeburtshebammen von Krankenhaushebammen belächelt würden und Hausgeburtshebammen die Krankenhaushebammen als „entmenschlichte Roboter“ hinstellen würden.

Eine Mutter, welche die finanziellen Möglichkeit hat, eine Weile bei ihren Kindern daheim bleiben zu können, hält einer Mutter, die bald nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen muss und ihr Kind in Fremdbetreuung gibt, diesen Schritt vor. Umgekehrt blickt eine berufstätige Mutter mit Geringschätzung auf das „Heimchen am Herd“.

Frauen sind nicht von Natur aus so. Frauen wurden durch einige Jahrtausende Patriarchat so geformt, dass sie das patriarchale Gift, welches die Beziehungen von Frauen und ihre Solidarität verhindert und zerstört, inzwischen selbsttätig und effektiv untereinander verteilen. Von dieser emotionalen Mauer zwischen den Frauen profitiert das patriarchale System, welches nur überleben kann, solange es gelingt, die Frauen zu spalten und zu trennen.

Frauen sollen nicht erkennen, welch eine große und wichtige Bedeutung in den Beziehungen unter uns Frauen liegt. Frauen sollen aber vor allem nicht erkennen, wo die wahre Ursache für die Konkurrenz und den Neid unter uns Frauen liegt, wer der wahre Nutznießer der Frauenfeindlichkeit von Frauen ist. Deshalb will ich mit diesem Beitrag einen Blick hinter die patriarchalen Kulissen werfen.

Viele Frauen träumen den Traum von Frauensolidarität und Schwesterlichkeit. Doch die gelebte Realität sieht leider in vielen Frauenkreisen oftmals anders aus. Die real existierende, weibliche Frauenfeindlichkeit in allen Bereichen unseres Lebens muss benannt werden, damit der Blick frei wird auf Möglichkeiten, diese zu überwinden.

Die patriarchalen Strukturen, in welchen Frauen seit Jahrtausenden zu leben haben, hatten und haben gravierende Auswirkungen auf die Psyche und Seelen von Frauen. Priorität hat in einer patriarchalen Gesellschaft der Mann, das ist die Grundlage. Er wird als das überlegene Geschlecht dargestellt, obwohl es die Frauen sind, welche die Fähigkeit in sich tragen, das neue Leben zu schenken, die Basis der gesamten Menschheit.

Damit das Patriarchat die Macht übernehmen konnte, mussten Frauen isoliert werden, getrennt werden, sie wurden heimatlos gemacht, von ihrer Muttersippe herausgelöst und in der Sippe des Mannes wie Sklavinnen behandelt. Diese gezielte Zerstörung der weiblichen Seins-Macht hat tiefe Gräben in den Seelen der Frauen, im kollektiven Frauenfeld hinterlassen. Den eigenen, massiv erlittenen Machtverlust als selbstbestimmte, freie, eigenmächtige Frau haben die betroffenen Frauen dadurch zu kompensieren versucht, indem sie in krankhafte, psychische Muster gegangen sind. Indem sie die Schwiegertochter, die ins Haus gekommen ist, nun so behandelt haben, wie sie es zuvor selber erlebt haben. Frauen wurden dadurch zu „Soldatinnen des Patriarchats“ abgerichtet.

Frauen lernten und lernen von klein auf, die machtlose, dem Mann und Vater ausgelieferte Mutter abzuwerten. Sie gehen auf Distanz zur Welt des Weiblichen, welche in einem patriarchalen System als Ursache für die Unterdrückung von Frauen erlebt wird. Sie identifizieren sich mit dem „starken Vater“, um nur ja nicht so schwach wie die Mutter zu werden. Auch wenn der Vater großteils abwesend ist, idealisieren sie ihn als „guten Vater“ und ergreifen in späterer Folge Partei für das Männliche, um nicht Gefahr zu laufen, doch noch in den Fußstapfen des Weiblichen im Patriarchat zu landen.

Dadurch ist die starke Identifizierung vieler Frauen mit dem Mann und seiner patriarchalen Welt entstanden. Aus dieser heraus wird alles als bedrohlich erlebt, was diese Strukturen in Frage stellt, an den patriarchalen Grundfesten rüttelt, die Ursachen und Auswirkungen der männlich-patriarchalen Gewalttätigkeit gegenüber der Erde, der Natur und all ihren Lebewesen aufzeigt und benennt. Der Schutzinstinkt von Frauen gegenüber dem Mann ist oftmals weitaus stärker ausgeprägt als gegenüber anderen Frauen. Die Beziehung zu einem Mann wird um vieles höher bewertet, als die Mutter-Tochter-Beziehung, als die Freundschaft mit einer Frau. Eine Wertung, welche die meisten von uns übernommen und verinnerlicht haben.

In der patriarchal-gesellschaftlichen Abwertung des Weiblichen sehe ich eine der Hauptursachen weiblicher Frauenfeindlichkeit. Denn damit wird es Frauen sehr schwer bis schier unmöglich gemacht, ihren eigenen Wert als Frau und Mutter erkennen zu können und somit auch den Wert anderer Frauen und Mütter anzuerkennen.

In einer von Männern definierten, dominierten und bestimmten Gesellschaft Gefahr zu laufen, die männliche Zuwendung und Aufmerksamkeit, die „männlich-väterliche Liebe“, zu verlieren, ist für Frauen ungemein bedrohlicher als ein möglicher Verlust der weiblich-mütterlichen Verbindungen. Deshalb neigen Frauen dazu, die Folgen männlicher Verletzungen an Frauen auszulassen, anstatt an den verursachenden Männern. Die unterdrückte Wut vieler Frauen entlädt sich gegenüber Frauen um vieles leichter als gegenüber Männern.

In einer Gesellschaft, in welcher der Mann im Zentrum steht, er für soziales Ansehen und finanzielle Sicherheit der Frau und Familie steht, ist jede andere Frau eine potentielle Bedrohung, eine Rivalin um die Gunst des Mannes – die jüngere Frau, die schlankere Frau, die erfolgreichere Frau. Viele Frauen sind nach wie vor dazu bereit, für männlichen Beifall ziemlich viel zu tun. Seinen Schönheitsidealen entsprechen zu wollen, ihn und seine Bedürfnisse und Vorstellungen zum eigenen Lebensinhalt zu machen, sich um seine Entwicklung zu sorgen, seine Karriere zu ermöglichen.

Frauen wollen vom Mann begehrt werden, sie hoffen auf seine Anerkennung, fühlen sich als Frau an der Seite eines Mannes mehr wert. In die Beziehung zu ihm wird ein Höchstmaß an Anpassungsbereitschaft, Lebenskraft und Rücksichtnahme investiert, Frauenfreundschaften werden weit weniger gepflegt und müssen vor allem dann, wenn der „nächste Traummann“ ins Leben tritt, wieder in den Hintergrund treten. Zumindest solange, bis auch dieser schöne Liebestraum ausgeträumt ist und die „beste Freundin“ als Seelentrösterin wieder auf den Plan gerufen wird.

Von staatlicher und kirchlicher Seite wird das „Lebensmodell Ehe“ propagiert, das jedoch nur solange funktioniert, solange sich der traute Ehemann keiner anderen Frau zuwendet. Sollte dies geschehen, wird meist „die Andere“ dafür verantwortlich gemacht und nicht der betreffende Mann. Sie ist die Rivalin. Der Mann ist Dreh- und Angelpunkt der weiblichen Rivalität.

Diese Rivalität zwischen Frauen findet in der Arbeitswelt ihre Fortsetzung, ihre Ausdehnung auf die gesamtgesellschaftliche Bühne. Frauen konkurrieren darin um gute Arbeitsplätze, um Aufstiegs- und Karrierechancen, denn diese stehen nicht für alle bereit. Frauen identifizieren sich auf diesem Weg immer mehr mit dem System und immer weniger mit anderen Frauen.

Göttlich ist in patriarchalen Kulturen nur „Gott der Herr“. Nur der Glaube an ihn ist legitim. Der Glaube an eine weiblich-göttliche Welt wurde als Aberglaube verboten und unter der Beschuldigung der Ketzerei verfolgt. Von klein auf lernen Mädchen in ihren Familien, in der Schule, in unserer Gesellschaft, dass das Weibliche nicht göttlich wäre. Sondern Eva, die angeblich erste Frau sogar die Erbsünde über alle Menschen gebracht hätte aufgrund ihres Handelns. Frauen sind in patriarchalen Religionen nicht göttlich, sondern Sünderinnen, Verführerinnen, demütige Mägde des Herrn.

Frauen zeigen, wie die Mehrzahl an weiblichen Teilnehmerinnen bei spirituell-esoterisch-religiösen Angeboten und Veranstaltungen beweist, ein starkes Interesse an den spirituellen Dimensionen unseres Lebens. Doch in der Religion, in welcher die meisten von uns erzogen wurden, begegnen die Frauen einem rein männlichen Gottesbild. Das verwirrt und verletzt die weibliche Seele tiefgreifend.

Frauen mussten über Generationen die Abwertung ihres eigenen Geschlechts in kirchlich-religiösen Zusammenhängen erleben und erdulden. Ihr ausgeschlossen sein als Priesterinnen aufgrund der angeblichen Unreinheit ihres zuvor als heilig verehrten Lebensblutes. Die Bedrohung ihrer Existenz, ihres Lebens, wenn sie ihrem alten Glauben an die Göttin nicht abschwören wollten.

All diese Erfahrungen haben Prägungen hinterlassen in uns Frauen. Sie wirken sich auf unser Verhalten aus, auf unsere Einstellungen uns selber und anderen Frauen gegenüber. Die Abwertung, welche wir als Frauen im Patriarchat über Jahrtausende erfahren haben, hat sich uns eingebrannt. So wie wir gelernt haben, uns selber abzuwerten aufgrund unseres Frausein, so werten wir auch die anderen Frauen ab.

„Solange Frauen einem Weltbild huldigen, das keinen Raum hat für die Vorstellungen und Ideen anderer Frauen, solange sie sich nicht gegenseitig den Respekt geistiger Freiheit gewähren, solange ihnen die Anerkennung vom Mann und die Unterstützung seiner Ideen wichtiger ist als die Solidarität mit anderen Frauen, so lange wird Frauenfeindlichkeit unser Problem bleiben und echte Solidarität auf sich warten lassen.“ 

(Christa Mulack in „Natürlich weiblich“) 

Zur Vertiefung dieser Thematik empfehle ich die Bücher von Christa Mulack, insbesondere „Natürlich weiblich – die Heimatlosigkeit der Frau im Patriarchat

Danke dir, Renate, für diesen Impuls …

https://wildmohnfrau.blogspot.com/2019/01/frauensolidaritat.html