Gottes Liebling Mensch: „Verpflichtet ohne Ende“

Verpflichtet ohne Ende

von Luxus Lazarz

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Natürliche Pflichten

Natürliche Pflichten sind wohl all jene, die der Mensch gar nicht als Pflicht empfindet, vielmehr ohne Widerstand ausfüllt, weil es nämlich unnatürlich wäre, sich selbst im Weg zu stehen. Blickt der Mensch in die Weite und Fülle von Erde und Natur, kann er auch darin eine natürliche Pflicht ablesen. Eine Pflicht, sich derart in das Gefüge, der ihm zur Verfügung stehenden Gesellschaft einzubringen, dass er durch Beobachtung und Einsicht lernt, für sich selbst zu sorgen und so weit ihm möglich, auch den nicht allzu gut bemittelten Menschen teilhaben zu lassen, am reichlich erfüllten Leben. Denn dieser scheinbar kaum Bemittelte, verfügt ebenfalls über einzigartige Fülle. Nur an Bewusstsein für sich selbst und somit für jenes, was aus ihm geht und zu ihm kommt, daran mangelt es noch.

 

Sachgemäße Pflichten

… sind individuell und auf Erfahrung gründende Pflichten, und zwar gegenüber all den Dingen im Leben des Menschen, die keinen eigenen Willen und Verstand ausdrücken, und deshalb eines Menschen Arme und Beine brauchen, um überhaupt bewegt zu werden. Also alles – nicht Lebendige, mit dem ein Mensch sein Leben teilen kann.

 

Made-in-Kopf-Pflichten

Es ist meine Pflicht für in Anspruch genommene Leistungen, den vereinbarten Preis zu bezahlen. Wenn ich als Erdenbürger über kein Erbe verfüge, aus welchem ich mein biologisch aktives Leben finanzieren kann, ist es mir gestattet und angeraten, für den sogenannten Lebensunterhalt zu arbeiten. Das Recht des Menschen auf eine Arbeit, deren Lohn ihm wiederum erlaubt – ein gesellschaftlich angepasstes Leben zu führen, wurde mir bereits in der Kindheit als etwas ganz besonders Wertvolles nahe gebracht. So gab man mir die geflügelten Worten, die da weissagten, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, frühzeitig mit auf den Weg. Die Erklärung der Eltern zu diesen Worten klang stimmig. Wenn der Mensch nur essen würde und in den Tag hinein leben, könnte man ihn vom Tier kaum unterscheiden. Deshalb braucht der Mensch neben dem Brot, auch eine ihn ausfüllende und befriedigende Tätigkeit. Das Ausfüllende läge in all dem Tun, welches letztendlich dem Ganzen zugute komme. Je mehr die Arbeit also dem wahren Interesse aller Menschen diene, umso erfüllender würde der Arbeitende die Tätigkeit wahrnehmen. Somit wurde die Arbeit für mich notwendig, um mich als Mensch sicher zu fühlen. Sicher zwischen Menschen, die mein Dasein überwiegend wertschätzten, weil auch mein Tun wertvoll für das Ganze war und dementsprechend bezahlt wurde.

Neben den handwerklichen Fähigkeiten, die ich mir schon durch die Mithilfe in der Familie, beim Arbeiten in Haushalt und Gewerbe angeeignet hatte, lernte ich nun in der Schule und auch der Berufsausbildung, mehr meinen Kopf als die Hände zu nutzen. Die Schule machte mir bewusst, dass es viel mehr zu wissen gab – als meine Eltern mir vermitteln konnten. Welch ein Glück!

Das Lernen war mir stets ein Bedürfnis, denn mit allem was ich konnte – wurde mein Leben schrittweise selbstständiger. Wenn mich etwas wirklich beeindruckte oder stark anzog, also innerlich bewegte ganz genau hinzusehen, mich damit gar beharrlich tiefer zu befassen, dann empfinde ich heutzutage diesen Vorgang auch nicht mehr als Lernen, sondern als unmittelbare Bereicherung der gesamten Wahrnehmung des Lebens.

Somit bin ich stets, wenn ich etwas mit Freude und Begeisterung erkundete, also kennen lernen wollte, reicher geworden. Ein Reichtum, den ich mir nirgendwo hätte einfach mal so kaufen können. Reich an Leben und den darin gegebenen Möglichkeiten. Die Fülle der Erfahrungen, die tatsächlich ergriffenen Möglichkeiten, haben mich gestaltet, mein Leben geformt und aufgehen lassen, was ich in Gedanken säte, mit Kopf und Händen tat.

Wenn ich zum Beispiel bedenke, dass mein Gewicht bei der Geburt 3200 Gramm betrug, so habe ich prachtvoll an Körperreich gewonnen. Und ich kann nicht behaupten, dass ich in meinen ersten Lebensjahren darauf sonderlich viel Einfluss nahm. Es ist mir letztendlich einfach zu gewachsen, hinzu gewachsen – zu dem anscheinend Wenigen, was ich damals mit einbrachte – in diese Welt. Selbstverständlich haben meine Eltern meinen Körper und auch den sich darin entfaltenden Geist gefüttert, doch niemand zwang sie dazu. So nahm ich viele Jahre stets nur das, was man mir gab, lebte damit wahrhaft gut und mich letztendlich tatsächlich groß. Hab nichts hinzu gedacht und auch nichts weg gewünscht, so hat allein das Annehmen – mich größer gemacht.

Ab dem 36. Lebensjahr begann ich das Arbeiten beim Arbeiten, auf den mir einst eingeprägten Sinn zu erforschen. Ich studierte durch Tun, durch das fortwährende gedankenlose Verweilen meiner Aufmerksamkeit in Situationen und durch innerlich erscheinende Fragen, die mit der jeweiligen Arbeit verbunden waren. Dann entdeckte ich per Zufall, dass jenes Weltbild, was man mir vermittelt hatte und nach dem ich mich ausrichtete, nicht mehr mit der – mich wahrhaft umgebenden Realität übereinstimmte.

Letztendlich bin ich zu der Einsicht gekommen, dass meine einzig wahre Arbeit schon immer im Mitwirken bestand. Dem Mitwirken daran, dass sich die Gegensätze näher kommen und dort Frieden miteinander schließen, wo sie ihren Anfang finden. Also in mir, dem Menschen, der ich ursprünglich bin, der wir alle sind, rein, offen, erfindungsreich, hingebungsvoll, liebend und mitfühlend. Dabei habe ich entdeckt, dass ‚jeder‘ Tag von der Quelle, aus der wir alle stammen, mit Leben, Freude, Nahrung, Licht und unendlich viel Liebe ausgestattet ist. Stell dir einmal vor, morgen ist auch jeder Tag und der danach ebenso. Das gilt ewig.

 

Zeit der Pflicht zur Einkehr und Reflexion

Das Wort Pflicht trägt Licht. Wird man allerdings pflichtgemäß geboren und erzogen, ist es überwiegend und offensichtlich eine Pflicht – kein Licht zu sehen, bevor nicht alles, aber auch wirklich alles getan wurde, was dem Menschen jemals in den Sinn kommt und zu einer Pflicht gemacht werden kann. Und dann? Es gab Zeiträume innerhalb meines Lebens, da habe ich mich geradezu in Schlachten geworfen, um Pflichten zu erbeuten, deren korrekte Erfüllung – meinen Wert als Mensch markieren sollten. Je eifriger ich mein pflichtbewusstes Dasein allerdings festigte, umso mehr entfernte ich mich von der eigenen Menschlichkeit und dem fühlbaren Empfinden der Verbundenheit, mit den mir Nächsten. In meiner Pflichtbewusstheit hatten Gefühle keinen Platz. Wie hätte ich mich selbst dabei auch ertragen sollen? Die Peitsche namens Pflicht, machte mein Herz hart und zündete in mir schwarzen Humor. Pflicht tut immer richtig. Das Leben wurde insgesamt mehr und mehr zur Pflicht und ich mittendrin zum Opfer – der eigenen Schöpfung aus all dem gesicherten Dasein im kalten Pflichtgefühl.

Manche Pflicht im Leben endet ganz natürlich, andere Pflichten wiederum bedürfen – sobald sie lästig werden – der gründlichen Einsichtnahme. So entdeckt man die Pflichten des Schöpfers in sich selbst und auch jene, die sich der Mensch als Opfer im Außen aneignet. Der Schöpfer ist stark, das Opfer ist hilflos. Doch darüber hinaus gibt es noch ein Weiteres im Menschen. Nämlich jenes Wesen, das wir wirklich sind, welches weder als Opfer noch als Schöpfer wirkt, kein Bedürfnis nach Pflicht in sich kennt, doch still uns Kopf und Blick erhebt, wenn wir es aus eigenem Ermessen nicht mehr verdienen, geliebt zu werden. Das ist die Liebe in uns, welche solches bedingungslos tut, all jene Liebe, die keinen Namen hat, ja keinen Namen braucht, weil sie allen Menschen von Beginn an heimlich dient, heimisch ist in allen Lebewesen. Still Hindernisse abträgt – im Umfeld und doch stets zuerst im Menschen selbst, damit das Leben weiterströmen kann, durch dich und mich und in alles, was sein kann, weil wir es in uns lebendig lieben, einfach so und oft kaum bemerkt.

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Gottes Liebling Mensch