Blütenspritzungen schaden Imkereien, Bienen und der Artenvielfalt – J. Klöckner erteilt Notzulassung – Bienenkiller außer Kontrolle

Agrarministerin Klöckner erlaubte ein für Bienen hochgiftiges, von der EU verbotenes Pestizid. Jetzt verbreitet es sich unkontrolliert in der Umwelt.

BERLIN taz | Nachdem Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ein für Bienen hochgiftiges Pestizid ausnahmsweise erlaubt hat, verbreitet es sich unkontrolliert in der Umwelt. Imker und Naturschützer in Bayern haben große Mengen des Wirkstoffs Thiamethoxam und seines Abbauprodukts, des ebenfalls als Pestizid genutzten Clothianidin, in Wasser- und Schlammproben gefunden. Die Proben stammen von Feldern im Landkreis Neustadt an der Aisch–Bad Windsheim, auf denen mit Thiamethoxam ummantelte Zuckerrübensamen ausgesät worden waren. Auch in Proben von Pflanzen auf benachbarten Feldern in dem fränkischen Landkreis und dem angrenzenden Kreis Fürth fand das beauftragte Labor den Wirkstoff und sein Abbauprodukt aus der Pestizidgruppe der Neo­nikotinoide. Die Laborberichte liegen der taz vor.

Die EU hat 2018 verboten, Thiamethoxam und Clothianidin im Freiland auszubringen. Denn mehrere Studien hatten gezeigt, dass die in der Praxis vorkommenden Mengen dieser Pestizide Bienen schädigen. Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Das betrifft nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Wasserorganismen. Da immer mehr Insektenarten aussterben, wollte die EU das nicht länger hinnehmen.

Trotz des EU-Verbots erteilte das Klöckner unterstellte Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mehrere „Notfallzulassungen“ für das Thiamethoxam-haltige Produkt „Cruiser 600 FS“ des Chemiekonzerns Syngenta. Die EU-Pestizidverordnung erlaubt solche Ausnahmen, wenn sich eine „Gefahr“ nicht anders abwehren lässt. In sieben Bundesländern durfte von Januar bis April 2021 auf insgesamt 126.900 Hektar – einer Fläche mehr als eineinhalb mal so groß wie Hamburg – Zuckerrübensaatgut mit dem Gift ausgesät werden. Die „Gefahr“ war in diesem Fall eine Blattlaus, die durch Saugen die Pflanzen mit verschiedenen Vergilbungsviren infiziert. Die Blätter verfärben sich gelblich, die Photosynthese stockt, und die Rübe verkümmert. Wenn Samen mit Thiamethoxam gebeizt werden, ist das Gift in allen Teilen der späteren Pflanze enthalten.

Das Insektizid breitet sich auch außerhalb der Felder aus, auf denen es verwendet worden ist

Mit „anderen Pflanzenschutzverfahren oder zugelassenen Pflanzenschutzmitteln“ könnten die Insekten laut BVL nicht ausreichend bekämpft werden. Das Virus habe sich zuletzt in vielen Anbaugebieten der EU ausgebreitet und auch in Deutschland regional zu „gravierenden“ Pflanzenschäden und Ertragsverlusten geführt. Das Risiko für „Nichtzielorganismen“ durch die Aussaat des behandelten Zuckerrübensaatgutes sei gering, da diese Pflanze im Anbaujahr nicht blühe und daher wenig attraktiv für Bestäuber sei. Außerdem gebe es strenge Auflagen für den Insektenschutz.

Ganzer Beitrag: https://taz.de/Nach-Notfallzulassung-eines-Pestizids/!5799734/

Ausschnitt aus dem Artikel: Für den Bienenzüchter sind das Verstöße gegen die Allgemeinverfügung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft über die Notfallzulassung des Thiamethoxam-haltigen Pestizids „Cruiser 600 FS“. Sie verlangt zum Beispiel „erosionsmindernde Maßnahmen“ auf gefährdeten Flächen. Vor und nach der Aussaat der mit dem Neonikotinoid ummantelten Samen sei „bestmöglich“ Sorge dafür zu tragen, dass zwei Jahre lang – bis Ende 2022 – auf dem Acker keine Pflanzen blühen. Zudem dürften in den 45 Zentimetern zum Feldrand keine mit dem Pestizid behandelte Zuckerrüben wachsen. Die Behörden kontrollierten die Vorgaben aber nur sporadisch, kritisierte Rühl.


Viele Unterschriften gegen Pestizide

Mehr als eine Million Menschen unterstützen laut Naturschutzbund (Nabu) mit ihrer Stimme die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ – knapp die Hälfte kommen aus Deutschland. Die Organisation teilte am Mittwoch mit, nun seien die EU-Kommission und das Europäische Parlament verpflichtet, sich mit den Forderungen der Initiative auseinanderzusetzen – etwa dem schrittweisen Ausstieg aus synthetischen Pestiziden und Maßnahmen zur Erholung der Artenvielfalt. Die Initiative wird außer vom Nabu von mehr als 140 Organisationen unterstützt. Da manche Unterschriften erfahrungsgemäß ungültig sind, ruft der Nabu dazu auf, bis Donnerstagabend weitere zu sammeln. (jma)


Siehe hierzu EINE Betrachtungsweise: http://www.scharf-links.de/48.0.html?&tx_ttnews[pointer]=5&tx_ttnews[tt_news]=76501&cHash=e89d62d142

Oder hier: https://www.aurelia-stiftung.de/2021/01/15/offener-brief-an-julia-kloeckner/

https://www.presseportal.de/pm/134345/4813623


Bildquelle / Freie Nutzung / https://www.fotocommunity.de/photo/julia-kloeckner-strahlt-am-ehrenamtsta-dietmar-guth/28962321