Mama, was gibt’s heute zu essen: Aliphaten/Alkane, Styrol, Formaldehyd/Aldehyde, Methylacetat, Di-tert-butylbenzol, Ethylacetat, Alkohole und vieles mehr

Feldversuch an unseren Kindern mit dem Lolli-Test

Nach intensiver Recherche, veröffentlichen wir exklusiv für unsere Leser einen traurigen und gefährlichen Missstand im folgenden Artikel. Er zeigt auf, wie die Politik nachweislich die Gesundheit und das psychische Wohl von Kindern auf das Spiel setzt. Ein CdkW-Original.

von Götz von Ferenczy

Seit letztem Spätsommer sind sie millionenfach im Einsatz: Hunderttausende Kinder lutschen jede Woche mehrmals auf chinesischen Tupferstäbchen herum. So wird ermittelt, ob sie zur Schule dürfen.

„Lolli-Test“ heißt die Methode: Benannt nach der Art und Weise, wie die Kinder die Stäbchen handhaben sollen. Zwei Mal die Woche, je zwei Stäbchen, je 30 Sekunden. Die Aufforderung zum „Herumlutschen“ ist dabei nicht einmal abfällig gemeint, sondern umschreibt die Probengewinnung. „Jetzt wird medizinisch Lolli gelutscht.“ ermuntert Dr. Kasperl von der Augsburger Puppenkiste in einem Erklärvideo. „Wie beim richtigen Lutscher.“ Er lacht aus großen Augen und trägt ein breites, tief ins Gesicht geschnitztes Grinsen. (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7447/pcr-pooltests-an-grund-und-foerderschulen.html)

Schule in Bayern

Die Kinder nehmen also einen Abstrichtupfer in den Mund und schieben ihn mit der Zunge hin und her, damit er mit Speichel durchtränkt wird. Die erste Runde ist für den Pooltest, die zweite für die „Rückstellprobe“.

„Das Verfahren ist ungefährlich und sehr kindgerecht.“, betont nicht nur das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7447/pcr-pooltests-an-grund-und-foerderschulen.html) Auch weitere Akteure aus Politik und Wissenschaft sind dieser Meinung. Hinzu kommt: „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass PCR-Pool-Tests mittels der Lolli-Methode gerade für jüngere Kinder einfacher anwendbar und angenehmer in der Handhabung sind.“ (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7451/haeufig-gestellte-fragen-faq-zu-den-pooltests.html#fragen-begleitstudie)

“Ganz klar rechtswidrig.”

Mit fester Stimme hält sie dagegen: „Was mich persönlich zutiefst schockiert, war zu sehen mit welcher Arroganz die Abgeordneten über verschiedene Themen, die unsere Kinder betreffen, in oberflächlichster Art und Weise abstimmen.“ An einem kalten Februartag steht die junge Frau auf einer Bühne, den Mantelkragen bis zu den Ohren hochgeschlagen zum Schutz vor dem eisigen Wind. Auf der Münchner Theresienwiese spricht Verena Friz zum ersten Mal in ihrem Leben auf einer politischen Veranstaltung.

„Wenn’s um unsere Kinder geht, dann hört der Spaß auf.“ Da steht die Software-Expertin und redet ruhig, gefasst. Ihre Stimme hallt über den Platz: „Diese Art von Testungen haben wir mit Experten aufwändig analysiert und konnten sie ganz klar für rechtswidrig erklären.“ (https://kinderrechtejetzt.de/rede-von-verena/)

Das klingt so gar nicht nach Puppenkiste und Kasperletheater. Sinnlos seien die Tests, sie verursachten bei vielen Kindern gesundheitliche Probleme. Es gehe um Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautreizungen, Mattigkeit, allergische Reaktionen und mehr. „Viele Eltern haben uns Leidensberichte ihrer Kinder zugeschickt.“ Verenas Expertengruppe sammelte binnen kürzester Zeit zahlreiche Unterstützter um sich, 6.000 unterschrieben eine Petition an den Bayerischen Landtag – von deren Behandlung im Bildungsausschuss am 27.01.2022 Verena Friz in ihrer Rede nun berichtet.

6.000 Unterschriften und es wären noch weit mehr geworden, erzählt sie später im persönlichen Gespräch. „Wir haben dann aber das Sammeln gestoppt, weil wir dachten, diese Zahl und unsere Fakten seien aussagekräftig genug.“

“Wir hatten zwei Tatsachen.”

Der Experte für die Fakten ist Dr. Christof Schalhorn, beim ihm laufen die Fäden zusammen. Er dokumentiert, analysiert und treibt die Recherchen voran. Der Fachmann für Produkt- und Prozessqualität dröselt Zusammenhänge auf und bereitet die Informationen für die Öffentlichkeit vor. In seinem Team: Fachkräfte für Biomedizinische Technik, Chemiker, Lebensmittelchemiker, Wissenschaftlerinnen und Experten aus den Bereichen Polymerchemie, Analytik und Bewertung von Bedarfsgegenständen sowie der Medizinprodukt-Entwicklung, der Medizinprodukt-Zulassung und eine Juristin.

„Wir hatten am Anfang zwei Tatsachen.“ Ein Pragmatiker. Schnell beschreibt er den Ausgangspunkt, denn schnell will er weiter, rasch das erörtern, was hier so offen liegt: „Die Tupfer haben einen eigenen Geschmack, und viele Kinder haben gesundheitliche Probleme.“ So standen zwei Fragen fest: Was verursacht den Geschmack? Und könnte es Einfluss auf die Gesundheit der Kinder haben?

Wer den Eltern um Schalhorn misstraut, kann auch beispielhaft in einen Bericht des Deutschlandfunk hören. „Corona-Pool-Tests gelten als kindgerecht, unkompliziert und sicher“ (11.03.2021, www.deutschlandfunk.de/grundschulen-corona-pool-tests-gelten-als-kindgerecht-100.html) Wie der Titel schon verspricht, bleibt der Beitrag unkritisch und werbend – und verrät doch Details, die anderes erzählen. So berichten Moritz und Elsa: „Der Test ist an sich ganz kurz, schmeckt halt nur nicht besonders gut.“

Das Augsburger Kasperle kann da nur lachen: „Ja, hast Du Erdbeerg’schmack erwischt, oder Banane? Oder vielleicht doch Käsfüßg’schmack“? Dann hält Dr. Kasperle dem Puppenschüler zwar nicht den Stinkefinger, dafür aber den Stinkefuß vors Gesicht. (www.youtube.com/watch?v=MaESEa0uxbg)

Damit widerspricht sogar die Marionette dem Tupferproduzenten und dem Ministerium. Denn die beharren unisono wie so viele andere Stellen: „Der Abstrichtupfer ist geschmacklos und gibt keine Stoffe frei.“ Nachzulesen auch in der himmelblau und rosafarbenen Gebrauchsanweisung (www.km.bayern.de/download/26223_Gebrauchsanweisung-des-Herstellers.pdf) sowie in den FAQ des bayerischen Kultusministeriums (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7451/haeufig-gestellte-fragen-faq-zu-den-pooltests.html), wo es unter anderem heißt: „Durch das Lutschen an den Abstrichtupfern werden keinerlei Stoffe an die Anwenderin bzw. den Anwender abgegeben.“

Die von Christof Schalhorn und seiner Gruppe beauftragten Labore sehen das anders: „Zu den Verbindungen/Verbindungsgruppen mit den relativ höheren Konzentrationen gehören: Aliphaten/Alkane, Styrol, Formaldehyd/Aldehyde, Methylacetat, Di-tert-butylbenzol, Ethylacetat, Alkohole.“ Außerdem wiesen die Tupfer Rückstände in Form von Mikro- bzw. Nanopartikeln auf, darunter Aluminium, Titan, Chlor und Silizium.

Die Protokolle und Berichte sowie die durch die Wissenschaftlergruppe durchgeführte Aufarbeitung der Analysenergebnisse, die Datenquellen und Belege hat die kritische Elterngruppe online gestellt unter https://kinderrechtejetzt.de/lolli-pcr-pooltest-stellungnahme-und-laboruntersuchungen/. Einmal 27, einmal 60 Seiten, faktenreich und sachlich.

“Sie ähneln einem Kaktus.”

Und erschreckend. Allein der Blick auf die Fotos macht klar, worauf die Kinder aller zwei Tage, zwei Mal für mindestens je 30 Sekunden lutschen: „Die Tupferköpfchen (…) ähneln einem Kaktus mit vielen feinen spitzen Stacheln. Eine Abrasion an den Stacheln (…) ist bei beiden Proben deutlich erkennbar.“ – Beide Proben, das heißt, die Stäbchen der Pooltests und die der Rückstellproben sind gleichermaßen betroffen. „Ebenso sind die scharfen Kanten und messerscharfe Auftreibungen am Ende der Fasern deutlich sichtbar.“ (https://kinderrechtejetzt.de/wp-content/uploads/2022/02/Lolli-PCR-Pooltest-Tupfer_Laboruntersuchungen_Gesundheitsgefaehrdungen_V….pdf)

Im Klartext: Schon beim Entnehmen der Tupfer aus der Packung sind sie mit Kleinstpartikeln verschmutzt, und zwar mit winzigen Bruchteilen des Materials. Diese Partikel nehmen die Kinder beim Lutschen unweigerlich in den Körper auf.

Hinzu kommt, die am „Lolli“ entstandenen Bruchstellen sind so scharfkantig, dass sie in jedem Fall auch Verletzungen auslösen können, kleinste unbemerkte, genauso wie größere, schmerzhafte. „Damit reden wir nicht mehr nur vom Verschlucken.“

Sylvia von Rosenberg weiß, wovon sie spricht. Als Wissenschaftlerin erforscht sie das Zusammenspiel aus Ernährung, dem Einfluss toxischer Stoffe und deren medizinische Auswirkungen. „Mit einer Aufnahme über die Mundschleimhäute wird die Entgiftungsfunktion der Leber umgangen. Die Substanzen können direkt in den Blutkreislauf gelangen und sich im Körper verteilen, sogar bis ins Gehirn.“ Eindringlich warnt die Fachfrau: „Sie können die Blut-Hirn-Schranke überwinden, also genau die Barriere, die unser Gehirn eigentlich vor schädlichen Stoffen schützt.“

Durch die seit Monaten mehrfach pro Woche wiederholten Testungen bestehe die Gefahr einer kumulativen Anreicherung der Stoffe im Körper. „Niemand weiß, was genau passiert, und keine Studie widmet sich dieser Problematik.“

Es geht hierbei nicht nur um die oben beschriebenen Bruchstücke und Schnittkanten, die beim Auspacken der „Lollis“ bereits vorliegen. Vielmehr zeigen die Laboranalysen, dass die Kinder sowohl mit ihrem Speichel als auch durch die Lutschbewegungen weitere Brüche der Kunststofffasern auslösen, was noch mehr scharfe Kanten und lose Bruchstücke bewirkt.

“Es werden Klebstoffe eingesetzt.”

„Das haben wir nicht mal eben zufällig nachgewiesen.“, weiß Christof Schalhorn. Vielmehr kämen die Verunreinigungen systematisch vor aufgrund des Herstellungsprozesses. Nun betonen zwar Produzent und Ministerium, der Abstrichtupfer bestünde „zum einen aus dem Stäbchen, das aus ABS Kunststoff gefertigt wird, und zum anderen aus dem Wattebausch aus 100% Medizinischem Nylon.“ (www.km.bayern.de/download/26223_Gebrauchsanweisung-des-Herstellers.pdf) Doch so sauber ist die Sache nicht. Der Fachmann erläutert: „Bei der Nylon-Beflockung werden Klebstoffe eingesetzt. Wie sollte das Nylon sonst am Kunststoff-Stiel halten?“

Auch die Sterilisation der Tupfer sehen die Experten hochkritisch. Statt Ethylenoxid kommt Gammastrahlung zum Einsatz: „Ein heikles Verfahren, denn wenn der Energie-Eintrag nur minimal falsch dosiert ist, greift das die Materialien an. Es kommt zu Zersetzung und Stoffe werden frei.“ Nicht ohne Grund sei die Bestrahlung von Lebensmitteln in Deutschland verboten, betont Sylvia von Rosenberg. (Einzige Ausnahme getrocknete Kräuter und einige Gewürze.) „Und da man die Tupfer in den Mund nimmt, gilt Lebensmittelrecht.“ 

Produzent und Ministerium hingegen setzen auf Wiederholung: „Sind die Materialien unbedenklich? Ja. (…) Die verwendeten Abstrichtupfer enthalten keine schädlichen Substanzen.“ (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7451/haeufig-gestellte-fragen-faq-zu-den-pooltests.html) Dafür führt das Kultusministerium sogar Belege an: „Die Sterilität der verwendeten Abstrichtupfer wurde vom Johner Institut Konstanz wissenschaftlich bestätigt. Das entsprechende Gutachten können Sie hier einsehen.“ (www.km.bayern.de/download/26020_Gutachten-Pooltests.pdf) Mikrobiologische Sterilität also als Beleg für das generelle Nichtvorhandensein schädlicher Substanzen?

Mehr noch: „Überprüfungen des Forschungszentrums Jülich sowohl der Abstrichtupfer als auch der Verpackungsmaterialien auf etwaige Rückstände nach der Sterilisation haben zudem gezeigt, dass keinerlei Hinweise auf radioaktive Verunreinigungen zu erkennen sind.“ (www.km.bayern.de/download/26020_Gutachten-Pooltests.pdf) So suggeriert der Text, dass der Beleg fehlender Radioaktivität gleichbedeutend sei mit der Abwesenheit „etwaiger Rückstände“.

Keine Studie zum Wohlbefinden der Kinder.

Zeit für einen Ausflug in Dr. Kasperls Corona-Labor: „Dr. Kasperl schlägt zurück!“, verkündet die muntere Marionette im Auftrag des Bayerischen Kultusministeriums. „Drum hab’ i’ höchstpersönlich alles probiert, um einen neuen Test zu finden, der einfach ist und Spaß macht.“

Wie viel Spaß, das sollten sogar Studien und Pilotprojekte vor der flächendeckenden Einführung der Lolli-Tests ermitteln. Darunter vor allem die Gemeinschaftsarbeit der Universitäten Köln, Düsseldorf, Heidelberg, Homburg, München: „(M)it über 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden Kinder und Jugendliche sowie Personal von Kitas und Schulen an fünf Standorten in Deutschland über einen Zeitraum von bis zu zehn Wochen getestet.“ (https://medfak.uni-koeln.de/service/kommunikation/pressemitteilungen/lolli-test-erweist-sich-als-effektiv-und-gut-durchfuehrbar)

Diese im Wissenschaftsjournal Lancet eClinicalMedicine veröffentlichte Studie zeige „deutlich, dass der „Lolli-Test“ (…) eine hohe Akzeptanz an Schulen und Kitas genießt.“ (www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(21)00362-X/fulltext#seccesectitle0011 und www.public-health-covid19.de/images/2021/WebinarSeptember/Suarez_Schultestungen_final_Zusammenfassung.pdf) Doch der Blick in die Arbeit enthüllt nicht nur, dass der Spaß viel kürzer war als die besagten zehn Wochen: „All classes and groups were tested (…) for three consecutive weeks.“ Der Blick zeigt auch, wie Dr. Kasperles „Spaßfaktor“, also die vermeintlich hohe Akzeptanz, zustande kam: „It was measured by participation rate, (…) as well as dropout rate“. („Gemessen wurde sie anhand der Teilnahmequote, (…) sowie der Abbrecherquote.“)

Das bedeutet: Es gab und gibt bis heute keine Studie, die sich dem psychischen und physischen Wohlbefinden der Kinder widmet. Niemand fragt und erfasst, wie sie sich mit dem dauerhaften Testen fühlen und was es mit ihnen macht. Niemand verfolgt ihre Gesundheit.

Die Erdmännchen nicken.

Fragebögen, Analysen, all das fokussiert ausschließlich auf die Testergebnisse und deren Verarbeitung. Aktuelles Beispiel dafür ist die wissenschaftliche Begleitstudie der LMU München – an der bayerische Pooltest-Kinder teilnehmen müssen (www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7448/informationen-zum-pcr-pooltest-fuer-erziehungsberechtigte.html): „Wie viele infizierte Kinder gibt es in der Klasse? Wie verändert sich die Anzahl infizierter Kinder über die Zeit? Gibt es Faktoren, die das Infektionsgeschehen in der Schule beeinflussen (z.B. Region, Klassenstufe, Geschlecht)?“ (www.ibe.med.uni-muenchen.de/forschung/coronatests/index.html) Fragen nach der Gesundheit und dem Befinden der Kinder stellt die Forschung nicht.

Da erstaunt es auch nicht mehr, dass Dr. Kasperl in seinem Lehrvideo gar keine Schule mit Buben und Mädchen besucht, um seinen neuen Test vorzustellen. Vielmehr führt er die Lolli-Methode in einer Erdmännchen-Grundschulklasse vor: Bestehend aus korrekt maskierten, absolut identischen, völlig hörigen und sprachlosen Erdmännchen, die sich einzig durch Kopfnicken auszudrücken wissen. (www.youtube.com/watch?v=MaESEa0uxbg)

Um welches Infektionsgeschehen geht es?

Mit Vollbremsung, quietschenden Reifen und eiligem Hupen fährt Seppl vor, um die Speichelproben der frisch getesteten Erdmännchen abzuholen. Hektisch stolpert er ins Klassenzimmer, klemmt sich die Proben unter den Arm und startet wieder.

Sicher laufen die Transporte im echten Leben anders ab. „Doch Dokumente zum Transportmanagement und zum verbindlichen Umgang mit den Proben sucht man vergebens.“ Womit Christof Schalhorn eine weiteres Themenfeld um die Lolli-Tests anspricht. „Das ganze Vorgehen, die ganze Methode ‘Lolli-Test’ wirft Fragen auf, egal, wo man hinschaut.“

Das fängt bereits bei den vorbereitenden Studien an. Die oben zitierte Arbeit zum Beispiel fand im Studienzeitraum 36 ausschließlich asymptomatische Fälle unter den 3.970 Teilnehmenden. Ob und wie ansteckend die Kinder waren, wurde nicht ermittelt.

Um diese 36 positiv Getesteten zu finden, hatte man 41 Pools aufgelöst – und damit viele Kinder umsonst doppelt getestet. Von diesen 41 Pool hatten nur fünf einen ct-Wert unter 30 (siehe S. 8., appendix, www.thelancet.com/journals/eclinm/article/PIIS2589-5370(21)00362-X/fulltext#seccesectitle0011), die meisten tendierten gen 40. Warum die Forschenden keinen konkreten ct-Wert als Schwellenwert definierten, und ob dieses vage Vorgehen nur für die Pools oder auch für die Rückstellproben angewendet wurde, erwähnt der Studientext nicht.

Sylvia von Rosenberg hat dafür kein Verständnis: „Das Problem ist, dass ein PCR-Ergebnis ab ct 28 nichts mehr darüber aussagt, ob in der entnommenen Probe tatsächlich Virusmaterial enthalten war.“ Ausführlich erläutert sie dann, wie sich mit jedem weiteren Zyklus die Gefahr von falsch-positiven Ergebnissen potenziere.

Wer Orientierung zur Bedeutung des ct-Wertes sucht, kann auch auf den Seiten des RKI nachschauen. Zur Einordnung schreibt die Fachbehörde: „Als proxy für einen Schwellenwert der Virus-RNA-Last haben mehrere Arbeitsgruppen auch ct-‘cut-off’ Werte im jeweils verwendeten Testsystem abgeleitet, die meist zwischen 31 und 34 liegen.“ („Varianz von ct-Werten“ www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html) Das bedeutet, während betroffene Kinder der oben genannten Lolli-Studie sich in Isolation begeben mussten, rät das RKI eigentlich das Gegenteil: „Zur Beendigung der Isolierung (ist) auch (…) ein positives Testresultat mit einem CT Wert >30 zulässig.“ (www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Quarantaene/Absonderung.html)

Die Labore, die in Bayern derzeit Pooltests auswerten, arbeiten mit einem ct-Wert von bis zu 45, wie Verena Friz von einem teilnehmenden Labor schriftlich bestätigt bekam.

Keine unabhängige wissenschaftliche Forschung.

Von der Studie zum Produkt. „Die Methode ‘Lutschen auf Abstrichtupfer’ ist weltweit einmalig.“ Christof Schalhorn schüttelt den Kopf: „Wir haben hier einen Abstrichtupfer. Er wird durch das Lutschen zweckentfremdet.“ (siehe Bedienungsanleitung, ab S. 23 https://kinderrechtejetzt.de/wp-content/uploads/2022/02/Lolli-PCR-Pooltest-Tupfer_Erwiderung-Stellungnahme_V1.1.pdf)

Dazu gibt es keine unabhängige wissenschaftliche Forschung, keine Praxis-Erfahrung von vergleichbaren Produkteinsätzen und keine reguläre medizinproduktrechtliche Zulassung. Christof Schalhorn spricht von einem „Feldversuch, der sich außerhalb der für Medizinprodukte vorgeschriebenen Post-Market Surveillance- und Melde-Systeme bewegt.“ (S. 3, https://kinderrechtejetzt.de/wp-content/uploads/2022/02/Lolli-PCR-Pooltest-Tupfer_Erwiderung-Stellungnahme_V1.1.pdf) Die Liste seiner Expertengruppe zu Rechtsgrundlagen und Richtlinien ist lang, siehe „Greifen nur Medizinproduktrecht-Gesetze?“ unter https://kinderrechtejetzt.de/faq-lollitests-schadstoffe/ 

So stellen die Kritiker auch die CE-Kennzeichnung in Frage, denn diese gelte ausschließlich für die originalen Abstrichtupfer. „Aber der Punkt ist: Es muss eine eigene Biokompatibilitätsprüfung erstellt werden, die für den Anwendungszweck ‘Kinder-Lolli’ gilt!“ 

Der Staat als Akteur.

Es scheint das Prinzip von Dr. Kasperle aus dem Erklärvideo zu gelten: Kasperle hat die Idee zur neuen Testmethode, entwickelt sie, bringt sie in die Schulen und führt die Lolli-Tests alleine dort durch, es wertet sie aus, forscht im Labor und verjagt eigenhändig das Virus.

Ähnlich der deutsche Staat: In Gestalt des Kultus- oder Gesundheitsministeriums schiebt er die Entwicklung der neuen Testmethode an (www.schulministerium.nrw/22042021-informationen-zum-schulbetrieb-ab-26-april-2021), beauftragt und unterstützt vorausgehende und begleitende Studien (https://medfak.uni-koeln.de/en/service/kommunikation/pressemitteilungen/schoco-projekt-testet-koelner-schueler-auf-coronavirus), er kauft das Medizinprodukt in großem Stil und setzt es in seinen Schulen ein. Ohne entsprechende Prozessüberwachung und Qualitätssicherung, ohne Abwägung der Sinnhaftigkeit und möglicher Alternativen – und ohne Blick auf die zu Testobjekten degradierten Kinder und ihre Gesundheit. 

Da der Staat hier zudem von der CE-zugelassenen Zweckbestimmung des Medizinprodukts abweicht (www.schulministerium.nrw/interview-mit-prof-dr-gerd-faetkenheuer-leiter-der-infektiologie-am-universitaetsklinikum-koeln), wird er zum Inverkehrbringer eines neuen Medizinprodukts, also der Lolli-Methode, und übernimmt damit die umfangreichen Pflichten eines Herstellers – vor allem da er die Entwicklung dieser abweichenden Zweckbestimmung selbst beauftragt hat. 

Nach der EU-Gesetzgebung gibt es eigentlich definierte Rollen für Marktteilnehmer: Hersteller, Inverkehrbringer, EU-Bevollmächtigter, Händler, Anwender und prüfende Behörde. Diese Rollen sind üblicherweise und notwendigerweise getrennt. Der Staat hat dabei eigentlich nur die Rolle der Marktaufsicht als prüfende Behörde inne. Eigentlich.

Vor diesem Hintergrund gewinnen die Ausführungen des RKI im Epidemiologischen Bulletin Nr. 26 vom 1. Juli 2021 mitunter eine ganz andere Bedeutung: „Derzeit können wöchentlich etwa 2,3 Millionen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 in deutschen Laboren durchgeführt werden.“ Doch zum damaligen Zeitpunkt lag die Auslastung der Labore „bei deutlich sinkender Inanspruchnahme“ bei nur etwa 30 %. 

Da drängt sich die Vermutung auf, dass es bei der Einführung der Lolli-Methode nicht zuletzt um eine Stützmaßnahme für die Labore und die Testinfrastruktur ging. Das Bulletin jedenfalls rechnet: „Bei den etwa 2,7 Millionen KiTa-Kindern im Alter zwischen 2 und 6 Jahren (Quelle: Auskunft Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) entspricht das bei Poolgrößen von 20 Kindern pro Pool und 2 Testungen pro Woche 270.000 PCR- Testungen. Für Testungen von (Grund-) Schulkindern < 12 Jahre würde sich diese Zahl entsprechend erhöhen.“

(www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/26_21.pdf?__blob=publicationFile)

Kurz zur Erinnerung: Der Herausgeber des Epidemiologischen Bulletins, das Robert Koch-Institut, ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.

Sofort Tests einstellen.

Statt künstlich Testkapazitäten zu erhalten, oder sie – wie seit März die Bayerische Staatsregierung – noch mehr auszuweiten, fordern Experten längst die Abschaffung von derartigen Maßnahmen. 

Mit deutlichen Worten positionierten sich jüngst die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) mit Unterstützung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in einer gemeinsamen Empfehlung: Testen ohne Anlass sei „auf Grund hoher präanalytischer und analytischer Fehler nicht sinnvoll, insbesondere bei jüngeren Kindern sind die Testergebnisse unzuverlässig.“ Sie fordern, dass anlasslose Antigen-Schnellteste und PCR-Poolteste ab sofort eingestellt werden sollten. (www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Meldungen_2022/220303_Empfehlungen_DGKJ_DGPI_BVKJ_.pdf)

Auch ein offener Brief von namhaften Unterzeichnern wie Prof. Dr. Klaus Stöhr an Bundeskanzler, Ministerpräsidenten sowie Kultus- und Gesundheitsminister findet klare Worte: „Insgesamt brauchen wir eine Rückkehr zur Normalität für unsere Jüngsten: Schulunterricht ohne (…) anlasslose Reihentestungen für gesunde Kinder. Bislang konnte nicht belegt werden, dass letztere irgendeinen messbaren Einfluss auf den Gesamtverlauf der Pandemie hatten.“ (www.initiativefamilien.de/aktuelles/offener-brief-kinder-gehoeren-in-die-schule/)

Doch wer Forderungen aus derart kompetentem und prominentem Mund ignoriert, der lässt sich auch nicht von einer 6.000 Unterschriften starken Eltern-Petition ins Stolpern bringen.

Übersicht und Links

www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7451/haeufig-gestellte-fragen-faq-zu-den-pooltests.html

www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7447/pcr-pooltests-an-grund-und-foerderschulen.html

Originalbeitrag: https://clubderklarenworte.de/feldversuch-an-kindern/