Anja Reiche: Richtig gut ist es dann, wenn’s auch richtig scheiße sein darf

Komm wie du bist. Komm zu mir.

Leg deinen Kopf in meinen Schoß.

Egal, wie zerbrochen du bist.

Hier darfst du sein.

Du musst nicht länger mit aller Macht

und letzter Kraft deinen Kopf über Wasser halten.

Geh unter. Geh einfach unter.

Sink hinein in die Tiefen.

Da unten wartet Frieden auf dich.

Am dunkelsten Grund, der Nacht der Seele.

Du wirst nicht ertrinken. Ganz im Gegenteil.

Da unten wirst du endlich wieder anfangen zu leben.

Öffne die verkrampften, zerkratzten Finger,

die sich an den letzten Strohhalm klammern.

Lass ihn los. Lass alles los. Lass dich sein.

Lass die Kontrolle sein. Das Festhalten.

Da unten kannst du tatsächlich erst wieder atmen,

auch wenn dir deine Programme, deine Ängste

andere Dinge erzählen wollen.

Die eigentliche Erlösung liegt nicht darin, es zu schaffen.

Die Erlösung liegt in der Kapitulation,

dem Scheitern dürfen,

dem Ertrinken, dem Nicht-Weiter-Wissen.

Sink hinein in meine Arme.

Atmen. Liegen. Schlafen. Ruhen. Weinen. Löcher in die Luft starren.

Toben. Wüten. Schreien und noch mehr zersplittern.

Ich sammel die Scherben ein und lege sie für dich beiseite.

Du kannst dein geschundenes Herz so weit von dir wegwerfen wie du willst, ich werde es für dich aufheben und so lange hüten, bis du es wiederhaben willst.

Es wird nicht gut, vom nicht schlecht sein.

Wirklich gut ist es dann, wenn’s auch richtig scheiße sein darf.

Wenn die Scheiße gut sein darf.

Wenn der Frieden mit dem Unfrieden da ist.

Wenn Kotzen und zerbröselt werden genauso zählt, wie die Freudentänze und Wohlgefühl.

Leben in aller Pure.

Leben mit allen Facetten.

Tanzen im Regen.

Weinen im Sonnenschein.

Lebendigkeit.

Hingabe.

Ekstase.

Orgastisches Sein.

Ungezähmt.

Wild.

Roh.

Ganz.

Voll.

Hier bei mir darfst du dich geschehen lassen.

Anja Reiche